Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
„Die Riester-rente ist ungerecht“
Verbraucherzentrale Thüringen stellt in Beratungsgesprächen einen hohen Frustrationsgrad fest, wenn es um private Altersvorsorge geht
ERFURT. An der Riester-rente scheiden sich die Geister. Ist sie nun ein lohnender Zusatz, um den Lebensabend frei von finanziellen Sorgen genießen zu können? Oder profitieren von ihr in erster Linie Anlageberater?
Die Mitarbeiter der Verbraucherzentrale in Thüringen haben in diesem Jahr 33 Beratungsgespräche rund um die Riesterrente geführt. 2016 waren es insgesamt 96. Wenn man bedenkt, dass die Zahl der Riesterverträge im Freistaat im sechsstelligen Bereich liegen dürfte, erscheint das nicht viel. Aber vielleicht ergeben sich manche auch in ihrem Schicksal, bevor sie sich Rat holen. Oder aber sie kümmern sich nur wenig, um den vor Jahren abgeschlossenen Vertrag.
„Zu uns kommen überwiegend Menschen, die einen Riester-vertrag haben und in irgendeiner Weise unzufrieden sind“, sagt Andreas Behn, Referatsleiter für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Thüringen. Viele Menschen seien enttäuscht, weil zu wenig dabei rauskomme, wenn sie es ins Verhältnis zu Beitrag und Zulagen setzten. Andere hätten schon mehrfach den Vertragspartner oder den Vertragstyp gewechselt und ärgerten sich über neue Kosten. „Ich stelle einen hohen Frustrationsgrad fest“, sagt Behn im Tlz-gespräch.
Was das Ganze so kompliziert macht: Die eine Riester-rente gibt es nicht. Es gebe viele unterschiedliche Produkte: Sparpläne, Rentenversicherungen und Fondssparpläne, die noch weiter unterteilt werden könnten, erläutert der Verbraucherschützer.
Sparpläne mit variabler oder fester Verzinsung, Rentenversicherung klassisch oder fondsgebunden, auch Sparplänen seien unterschiedlich ausgestaltet. Alle hätten ein unterschiedliches Anlagerisiko. Als Verbraucher stehe man vor einem Wald von Produkten, müsse eine Entscheidung treffen und sei überfordert, so Behn.
Gesetzlich festgeschrieben ist bei der Riester-rente nur der Kapitalerhalt für Beiträge und Zulagen. Was als rentenerhöhender Zuschuss hinzukommt, liegt im Risiko des Sparers selbst.
In den allermeisten Fällen bekomme der Verbraucher nicht das Produkt nach seinem Bedarf, sondern das, was der Berater im Angebot habe, hat Behn festgestellt. Umgehen könne man das nur, in dem man den Wissensvorsprung des Vertreters abbaue. Nur dann sei man nicht mehr der „Maklerprosa“ausgeliefert.
Außerdem haben die einzelnen Riester-produkte unterschiedliche Kosten. „Es ist völlig unübersichtlich und eigentlich eine Glückssache, ob man den richtigen Vertrag gefunden hat, oder nicht“, sagt der Finanzexperte und vergleicht die passende Auswahl mit einer Lotterie. Das jedoch dürfe bei einem so wichtigen Anlass wie der Altersvorsorge nicht sein.
Das Problem an der Riesterrente ist aus der Sicht Behns, dass es eigentlich keine zusätzliche Altersversorgung ist, sondern eine Kürzung in der gesetzlichen Rentenversicherung ersetzen soll.
Es gebe Konstellationen, bei denen sich eine Riester-rente lohne: Beispielsweise wenn man ein sehr geringes Einkommen habe und viele Kinder. Dann steige die staatliche Förderung im Verhältnis zum eigenen Beitrag überproportional. Aber man müsse auch den Sockelbetrag von 60 Euro auch wirklich zahlen können und einen guten Vertrag abschließen.
„Verbraucherpolitisch betrachtet, ist die Riester-rente schlecht und gescheitert. Sie ist ungerecht. Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass man die Altersvorsorge nicht privatisieren darf“, sagt Behn. Man habe sie einem Wettbewerb ausgesetzt und das bedeute immer: Es gibt Gewinner und Verlierer. Eine Alternative sei ein standardisiertes staatliches Produkt, wie es Hessen mit der Deutschland-rente ins Spiel gebracht habe.
Besser wäre, sagt der Verbraucherschützer und betont, das sei seine ganz persönliche Sichtweise, wenn die staatlichen Zulagen gleich in die gesetzliche Rente fließen würden. „Da sind sie besser aufgehoben, als wenn sie in irgendeine private Kapitalanlage fließen. Weil dabei ein Großteil der Zulagen in den Dividenden von Aktiengesellschaften verschwinden“, sagt Behn.