Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Mission Titelverteidigung beginnt
Am Dienstag zieht Bundestrainer Löw 26 Spieler für die ersten Länderspiele des Wmjahres zusammen – nur acht Weltmeister von 2014 sind dabei
DÜSSELDORF. Wenn es um Visionen geht, kann Oliver Bierhoff sehr leidenschaftlich werden. Gerade erst war er im Silicon Valley (USA), wo die Zukunft erfunden wird. Ideenaustausch, Netzwerkpflege. Und wenn der 49-Jährige, im Rang eines Direktors im Deutschen Fußball-bund (DFB) verantwortlich für die Nationalmannschaften und sportliche Entwicklung, sich so seine Gedanken macht, dann klingt das nach Silicon Valley, nach „Think Tanks“und „Roadshows“.
Erstaunlich daher, dass bei einer wichtigen Entscheidung wie der Wahl des Quartiers für die WM in Russland kein Computerprogramm half, sondern ein schnödes Blatt Papier. Bierhoff vermerkte darauf Daten und – in Rot – Reisetage mit Aufenthalt an anderen Orten als dem gewohnten Hotel. Er musste es vor sich sehen. Einmal von Sotschi aus, jenem kleinen Ort2 am Schwarzen Meer, von dem aus die deutsche Mannschaft 2017 den Confed-cup gewann. Und einmal von Moskau aus.
Ergebnis: Wenn das Turnier in die letzten zwei Wochen, die entscheidende Phase geht, gerät Sotschi in den roten Bereich: zehn Reisetage. Von Moskau aus nur vier. Weniger Strapazen. Gewohnte Umgebung. Deswegen: Vatutinki, ein Ort im Nichts südwestlich von Moskau. „Wir sind da nicht, um möglichst viel Spaß zu haben, sondern um den Titel zu holen. Daher war es logisch, sich für Moskau zu entscheiden“, sagt Bierhoff.
Der Weg zum erneuten Titel ist bereitet
Detailplanung, die zum großen Coup verhelfen soll. Der Weg ist also bereitet, wenn sich die Nationalmannschaft am Dienstag in einem schicken Hotel im noch schickeren Düsseldorfer Medienhafen trifft, um die Mission Titelverteidigung zu beginnen. Die ausverkauften Partien gegen Spanien am Freitag in Düsseldorf und vier Tage später gegen Brasilien in Berlin sind die ersten des Wm-jahres – und die letzten bevor der vorläufige Kader im Mai bekannt gegeben werden muss.
Makellos war die Wm-qualifikation des Weltmeisters, neue Spieler drängten in den Vordergrund. „Der Konkurrenzkampf ist durch den Confed-cup nicht kleiner geworden – das ist spannend“, sagt Bierhoff. 26 Spieler statt wie üblich 23 nominierte Löw für die zwei Partien. Wer jetzt nicht dabei ist, darf zumindest ins Grübeln geraten. Namentlich die in Dortmund nicht dauerhaft herausstechenden Weltmeister-tormacher Mario Götze und André Schürrle, Shkodran Mustafi, der beim FC Arsenal zu wankelmütig verteidigt, Benedikt Höwedes, der bei Juventus Turin wegen Verletzungen gar nicht verteidigt, Julian Weigl, der in Dortmund sein Formtief gegen jeden Anflug von Besserung verteidigt.
„Ein kleiner Fingerzeig Richtung WM“, bezeichnete Co-trainer Thomas Schneider den Kader mit nur acht Weltmeistern von 2014. Löw will offenbar nicht den Fehler machen, den Umbruch zu verpassen. Dass drei der vier Weltmeister der vergangenen 20 Jahren beim folgenden Turnier in der Vorrunde ausschieden und der andere im Viertelfinale scheiterte, ist ihm Warnung genug. „Alle müssen sich hinterfragen, was man besser machen kann“, mahnte Löw bei Eurosport.
Der Wm-titel 2016, der Confed-cupund der U21-triumph 2017 – all das soll nicht den Blick verstellen darauf, dass nicht weniger als alles erforderlich sein wird, um den Titel zu holen. Diesen und zukünftige..
Im internationalen Vereinsfußball hat sich die Bundesliga in dieser Saison beherzt blamiert, spielerische Vielfalt bietet sie im vom FC Bayern dominierten Liga-alltag ebenfalls nicht, und in den nationalen U-mannschaften habe die Leistungsdichte laut Bierhoff abgenommen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht von anderen Nationen abgehängt werden.“, warnt Bierhoff: „Wir brauchen den nächsten Masterplan.“
Und den hat er bereits entworfen. Der Bau einer Akademie in Frankfurt als zentraler Ort des Wissens und Weiterbildens soll das Niveau signifikant anheben helfen. Think Tank, Roadshow und Papier inklusive.