Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Die zwei Finalisten sind geistreich und können schauspielern
160 Besucher beim Poetryslam im Kunstpavillon Eisenach bedeuten Rekordkulisse. Ein Berliner holt den Sieg
EISENACH. So was hat die Slammer-welt in Eisenach noch nicht gesehen. 160 Zuschauer zählten die Moderatoren, Lokalmatador Matthias Klaß und der Tour-organisator Aida (Andreas in der Au), beim 7. Sommergewinn-poetry-slam im Kunstpavillon. Für eine „Seniorenstadt“mit überschaubarem intellektuellen Publikum ist das beachtlich. Und beachtlich war auch, was die zehn Poetry-slammer auf der Bühne zeigten, allen voran die beiden Finalisten Karsten Lampe (Berlin) und der Vorjahressieger Friedrich Herrmann (Jena). Am Ende hatte der Berliner auf der fünften von acht Stationen der Poetry-slam-tour durch Thüringen die Nase vorn. Es wurde ein langer Abend.
Ein bunt gemischtes und begeistertes Publikum hievte den Berliner mit der sonoren Synchronsprecher-stimme durch frenetischen Applaus auf den Thron. In den beiden Vorrunden mit je fünf Slammern hatte die Anzahl von Chips den Ausschlag für das Weiterkommen gegeben, den das Publikum in die jeweilige Büchse des Akteurs steckte.
Der Poetry-slam bot einen großen Ausschnitt der Bandbreite und stilistischen Mittel dieser Wortakrobatik, des Vortragen von eigenen Texten, frei gesprochen oder abgelesen. Dass neben klugen, witzigen, berührenden Texten das schauspielerische Moment einen großen Stellenwert einnimmt, bewies die Tatsache, dass mit Lampe und Herrmann nicht nur begnadete Autoren („Sauerteig ist gelebte Verantwortung“) , sondern auch gute Darsteller das Rennen ins Finale machten. Beide zählen zur Creme der Slammer-szene und waren als Favoriten gehandelt worden. Etwa Zuschauer, so viele wie noch nie in Eisenach, verfolgten die „Wortspielereien“der Slammer.
Das der gebürtigen Brandenburger Karsten Lampe mit seinem aberwitzigen Text „Ich bin Ossi“mit großem Vorsprung den Weg ins Finale nahm, war dabei überraschender als der Vorrundenerfolg des Jenaers Herrmann in der zweiten Gruppe. Im Vergleich mit Schirin Regener (Erfurt), Jakob Kielgaß (Marburg), Dominik Bartels (Helmstedt) und dem Eisenacher Wayne Jugdz (wen juckts), der einen bemerkenswerten Slammer-einstand gab, hatte Herrmann härtere Konkurrenz.
Vor allem Bartels führte mit einer frei vorgetragenen Parodie eines Senioren-gangsta-raps eine feine verbale Klinge. Der Eisenacher dagegen bot bei seinem ersten Auftritt bei einem Poetry-slam eine berührende Liebeserklärung an seine Heimatstadt
mit einem klaren politischen Statement gegen Nazis, die „fliedern ihn an“.
Aufhören ließ Daryl Kiermeier aus München mit einem der anspruchsvollsten Texte des Abends, den er zudem frei rezitierte. Der kluge Satzbaumeister schafft es aus der Sicht des Eisenacher Publikums damit vielleicht in das literarische Quartett, ohne deutlichere Comedynote aber nicht ins Finale. Unter einem ähnlichen Stern stand der Beitrag von Jakob Kielgaß (Marburg). Verkopft. Weniger durch ihren Text, aber durch ihren Vortrag fiel Schirin Regener auf. Die Erfurterin lass ihren Text vom Handydisplay, was ein Novum in der Szene sein dürfte.
Am Ende strahlte nicht nur ein Sieger nach brillanter Zugabe, sondern die ganze Mannschaft, Feierte eine gelungene Premiere als Poetry-slammer: der Eisenacher „Wayne Jugdz“.
die Sekt und selbst gemachten Holunderschnaps „Made in Dankmarshausen“als Finalisten-preise gemeinsam trank und tags darauf nach Gotha
weiter zog. Mitveranstalter und Mitslammer Matthias Klaß zeigte sich zufrieden: Eisenach kann und schätzt Poetry-slam, auch ohne Campus.