Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Erinnerung an die Märzgefallenen mit Reden, Diskussion und Lesetheater
Friedrichebertstiftung hatte nach Thal eingeladen – 15 Arbeiter des Ortes wurden nach dem Kappputsches 1920 ermordet
THAL. Es ist bereits seit Jahren Tradition, in Thal an die 15 Thaler Arbeiter zu gedenken, die am 25. März 1920 von Mitgliedern des Marburger Studentenkorps bei Mechterstädt widerrechtlich erschossenen worden waren. Diesmal wurde in einer Veranstaltung nach der Kranzniederlegung auch der Frage nachgegangen, wie wohl die Zivilgesellschaft heute mit Rechtsextremismus umgeht.
Sie hießen Füldner, Soldan, Schröder, Hartmann, Döll, Patz, Rosenstock, Steinberg, Hornschuh, Wedel und waren Söhne, Brüder, Väter und Großväter. Am Vorabend des besagten blutigen Tages standen Uniformierte vor ihrer Tür und verhafteten sie. Ob sie wirklich alle dem Aufruf der damaligen Landesregierung gefolgt waren und nach dem so genannten Kapp-putsch bei der Gründung einer Bürgerwehr dabei gewesen sind, bleibt fraglich. Zu einer Gerichtsverhandlung ist es nie gekommen. Hinterrücks wurden sie erschossen, denunziert von Menschen, die Nachbarn waren. „Das war eindeutig Mord“, sagte Ruhlas Bürgermeister Hans-joachim Ziegler (SPD) an ihren Gräbern. Zuvor hatte Michael Klostermann, Vorsitzender der Friedrich-ebert-stiftung, noch das Geschehen von damals Revue passieren lassen. Auch Vertreter der Marburger Geschichtswerkstatt waren gekommen, um ihre Verbundenheit zu demonstrieren und Kränze niederzulegen.
Eindringliche Worte sprach auch Johanna Helch (Die Linke), Gemeinderatsmitglied aus Wutha Farnroda. Sie zitierte aus Bei der Kranzniederlegung in Thal, rechts Michael Klostermann bei seiner Gedenkrede.
dem Buch, das die Thaler Ortschronistin Adelheid Schulze mit Dietrich Heither aus Hattersheim im vergangenen Jahr veröffentlichte und trug das „Lied der Zeitfreiwilligen“aus dem Jahre 1927 vor, das den Fanatismus der jungen Männer von damals verdeutlichte. Sie zog Vergleiche und kritisierte unter anderem auch den derzeit nach wie vor schleichenden Nsu-prozess. In bestimmten Dingen sollten Menschen, egal welcher Weltanschauung oder politischen Gesinnung gemeinsam handeln, so ihr Appell.
Bei der Diskussionsrunde zu der anschließend in das Dorfgemeinschaftshaus geladen worden war, standen neben dem Ruhlaer Bürgermeister, Gymnasiallehrer Harry Weghenkel, Johanna Helch und Walter Bernsdorff von der Geschichtswerkstatt aus Marburg Rede und Antwort. Dabei wurde auch
erläutert, wie man Rechtsextremismus die Stirn bieten könnte. Dank des Landesbüros Thüringen der Friedrich-ebert-stiftung und Zuwendungen des Bundes und des Freistaates Thüringen konnte der Vorsitzende der August-bebel-gesellschaft, Michael Klostermann, zudem Schauspieler des Nationaltheaters Weimar begrüßen. Sie boten ein pessimistisch satirisches Lesetheater unter der Überschrift: „alles kaputtsch“.
Klaus Heydenbluth und Olaf Müller schlüpften in zeitgeschichtliche Kleidung und setzten Presse- und Tagebucheinträgen in Szene. Mitreißend und interessant erweckten sie durch Pressemeldungen, Veröffentlichungen, Tagebucheinträgen, diese bewegte Zeit zum Leben.
Am deutlichsten scheint der Publizist und Humorist Hardy Worm das Gewaltpotential der Menschen eingeschätzt zu haben. Alles kaputtsch – die Schauspieler Klaus Heydenbluth (links) und Olaf Müller schlüpften bei einer szenischen Lesung in zeitgenössische Kleidung.
Kein Platz für Fanatismus
Er schrieb unter dem Pseudonym „Der blutige Ernst“in der „Freien Presse“1921 über das „neue“Deutschland: „Wenn dir einer unbequem, wenn dir seine Meinung nicht genehm,
wenn einer anders denkt als du: Drücke ihm die Kehle zu! Denn die Parole ist von Kiel zu Kapp: Murks ihn ab, murks ihn ab.“
Der Marburger Vertreter antwortete bei der Diskussionsrunde
in etwa so darauf: Mögen Kinder nie wieder in Schulen so erzogen werden, dass sie über Gewalt und Bluttaten johlen können und sich dazu gegenseitig noch anfeuern.