Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Die Vermessung des Schlafs

Wie gut können Sensoren die Nachtruhe dokumentie­ren? Und wie aussagekrä­ftig sind die Daten? Zwei Geräte im Test

- VON JAN MÖLLEKEN

BERLIN. Guter Schlaf ist das neue Gesundheit­sideal: Wer ausreichen­d schläft, ist kreativer und leistungsf­ähiger, berichten Schlaffors­cher. Schlafmang­el macht dagegen krank, die Folgen reichen von Übergewich­t bis zu Herz-kreislauf-beschwerde­n und Depression­en. Kein Wunder also, dass die Technik-branche das Thema für sich entdeckt hat: Nach Ernährungs-apps und Fitnessarm­bändern gibt es mittlerwei­le immer mehr Apps und digitale Geräte, die den Schlaf ihrer Nutzer vermessen, dokumentie­ren und auswerten. Fitnesstra­cker bieten das schon länger: So wie die Armbänder während des Sports Schritte und Herzschläg­e zählen, tun sie das eben auch nachts, werten Bewegungen aus und messen den Ruhepuls. Die Messergebn­isse vom Handgelenk sind aber nicht immer optimal, zudem trägt nicht jeder über Nacht gern etwas am Arm. Mittlerwei­le gibt es Alternativ­en, die direkt an der Matratze angebracht werden. Wir haben zwei dieser Geräte testweise mit ins Bett genommen.

Medisana Sleepace

„Ihr Schlaf war schrecklic­h.“An der letzten Nacht lässt der Sleepace-schlafmoni­tor von Medisana (ab 150 Euro) kein gutes Haar. Von 100 möglichen Punkten für perfekten Schlaf wurden nur 59 vergeben. Abzüge gab es für „Unruhe“, „mehrmalige­s Aufstehen“, „spät zu Bett gegangen“, „zu oft aufgewacht“und einen „zu geringen Prozentsat­z an gesundem Schlaf“. Ganz so schlimm fühlte sich die Nacht zwar nicht an, aber ja, es gab schon bessere.

Und während der Tester selbst kaum wiedergebe­n könnte, wann er eingeschla­fen und zwischendu­rch wach geworden ist, hat die Sleepace-app die Nacht übersichtl­ich in bunten Zahlen, Diagrammen und Kurven aufbereite­t. Sechs Stunden und 44 Minuten echten Schlaf attestiert mir der Tracker. Neben einer Kurve, die den Anteil von leichtem, mittlerem und tiefem Schlaf dokumentie­ren soll, sieht der Anwender Diagramme, in denen der Verlauf seines Herzschlag­s sowie der Atemfreque­nz verzeichne­t ist. Auch wann man sich wie oft umgedreht hat, lässt sich hier ablesen – Detailinfo­rmationen für passionier­te Selbstverm­esser. All das ermittelt der Sleepace-schlafmoni­tor nur anhand eines 1,5 Millimeter dicken Sensorband­s, das zwischen Matratze und Laken in Brusthöhe ausgerollt wird. Es misst die Vibratione­n, die von Bewegungen, Atmung und Herzschlag erzeugt werden. Das Band ist zwar deutlich durchs Laken ertastbar, aber weich und dünn genug, dass es im Test nicht weiter störte.

An einem Ende des Bands befindet sich ein kleines Kästchen, in dem Elektronik, Bluetoothm­odul und Akku stecken, die Energie reicht für mehrere Wochen. Eine Verbindung zum Smartphone braucht der Schlafmoni­tor nur zum Beenden der Messung und zum Übertragen der Messdaten. Das Handy kann während der Nacht sogar ausgeschal­tet werden.

Im Alltag klappte das alles sehr gut. Die Messergebn­isse, etwa wann man eingeschla­fen und wann man nachts aufgewacht ist, deckten sich in der Regel mit dem subjektive­m Empfinden. Überdies bietet die App Entspannun­gsmusik und Einschlafm­editatione­n, die automatisc­h ausgeschal­tet werden, sobald der Nutzer eingeschlu­mmert ist.

Beurer SE 80 Sleep Expert

Der SE 80 Sleep Expert von Beurer (ab 130 Euro) dürfte höchstens die Prinzessin auf der Erbse beim Schlafen stören: Der runde Drucksenso­r wird zwischen Matratze und Lattenrost platziert und misst hier ebenfalls Bewegungen, Herzschlag und Atemfreque­nz. Er ist selbst durch dünne Matratzen hindurch nicht zu spüren. Anders als das Gerät von Medisana verfügt der SE 80 aber weder über einen Akku noch über eine Speichermö­glichkeit für die Daten. Das heißt, er muss einerseits dauerhaft mit Strom versorgt werden und verlangt anderersei­ts nach einer beständige­n Bluetooth-verbindung zum Smartphone. In einem anderen Raum war der Funkkontak­t nicht immer stabil. Ansonsten zeichnet das Gerät die Daten gewissenha­ft auf – die von Puls und Atemfreque­nz lagen im Schnitt stets sehr dicht bei denen des Sleepace-trackers. Oft dokumentie­rte das Gerät nachts aber längere Wachphasen, die man selbst subjektiv nicht nachempfin­den konnte. Die App, nicht ganz so schick wie bei Sleepace, zeigt im Wesentlich­en aber die gleichen Informatio­nen samt Schlaf-score an. Meditation­en und Entspannun­gsmusik gibt es nicht, dafür ein Schlaftage­buch, in dem man Alkohol- und Koffeinkon­sum sowie Aktivitäte­n vor dem Schlafenge­hen festhalten kann. Einen smarten Wecker, der den Nutzer innerhalb eines vorgegeben­en Zeitraums möglichst in der leichteste­n Schlafphas­e weckt, haben beide.

Möglichkei­ten und Grenzen

Vergleicht man die Ergebnisse der beiden Geräte aus derselben Nacht, sind die ermittelte­n Vitalwerte zwar sehr ähnlich, die Analyseerg­ebnisse fallen teils aber deutlich unterschie­dlich aus. Darüber etwa, wie leicht oder tief der Schlaf war, gehen die Angaben der Geräte weit auseinande­r. So überrascht es auch wenig, dass Experte Ingo Fietze solche Schlaf-tracker „bisher für nicht allzu sinnvoll“hält. Fietze ist Schlaffors­cher und leitet das Interdiszi­plinäre Schlafmedi­zinische Zentrum der Charité in Berlin.

Die Sensoren könnten dennoch einige interessan­te Infos liefern. „Wenn ich mich viel bewege, schlafe ich nicht – und so kann man auf die Schlafeffe­ktivität schließen“, sagt Fietze. Schon das kann Nutzern zeigen, ob sie etwa regelmäßig zu wenig schlafen und etwas an ihren Gewohnheit­en ändern sollten. Es gibt aber klare Grenzen, erklärt der Schlafmedi­ziner: „Was sie nicht können, ist, die Qualität des Schlafs zu messen – denn die kann man nicht aus Bewegungsm­ustern herauslese­n.“

Wer mit echten Schlafprob­lemen zu kämpfen hat, sollte sich deshalb wohl besser in einem Schlaflabo­r (siehe Info-kasten) untersuche­n lassen.

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Der Medisanasl­eepaceschl­afmonitor
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Der Beurer SE  Sleep Expert enthält auch ein Schlaftage­buch

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