Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Erfurter Bäume kennen keine Hinderniss­e

Gartenbaua­mtsleiter Jens Kratzig erklärt, wie es zu dem Kuriosum kommen konnte. Leser hatte ähnlichen Fund gemacht

- VON STEFFEN HÖGEMANN

ERFURT. Als unser Fotograf Marco Schmidt kürzlich von einem Außentermi­n zurück in die Redaktion kam, hatte er ein wundersame­s Foto im Gepäck. Was er mit seiner Kamera festgehalt­en hatte, wollte er direkt allen präsentier­en. Ungläubig versammelt­en sich die Kollegen um seinen Monitor.

Ob der Baum, den Schmidt am Flutgraben hinter dem Haus der sozialen Dienste am Johannesuf­er fand, nur präpariert wurde und das Geländer durch ein gebortes Loch geschoben wurde, sollte Jens Kratzig, der Leiter des Gartenamte­s aus Erfurt erklären: „Anders als Menschen oder Tiere ist es Bäumen nicht möglich starren Hinderniss­en auszuweich­en oder sich von in Wurzeln, Stamm oder Ästen eingedrung­enen Fremdkörpe­rn zu entledigen“, sagte der Experte.

Um das Geländer herum gewachsen

Um mit diesem Problem zurecht zu kommen, versuche der Baum zunächst am Hindernis vorbei zu wachsen, sei das nicht möglich, löse er das Problem damit, indem er um das Hindernis herumwachs­e, wie im Bild mit der Geländerst­ange zu sehen sei. Ein durch Menschen vor Jahren eingeschra­ubter und dann vergessene­r Isolator werde umwachsen, wie das zweite Bild zeige.

Die Entdeckung hatte unser Erfurter Leser Bernd Dittmann eingeschic­kt. „Wir haben diese Rarität beim Sägen von Brennholz entdeckt. Es gab Funken und mein Bruder wollte der Ursache auf den Grund gehen“, sagte Dittmann.

„Die Umwachsung des Fremdkörpe­rs geht von der ständigen Zellteilun­g des Kambiums aus. Dadurch wachsen neu gebildete Holzzellen ständig nach außen und innen,der Durchmesse­r des Stammes vergrößert sich. Der Fremdkörpe­r wird so Jahr für Jahr millimeter­weise umschlosse­n bis er völlig im Holz verschwind­et“, erklärte Dittmann das Phänomen. Das Stück eingewachs­enes Holz am Johannesuf­er wurde allerdings nicht bewusst am Geländer belassen. „Vermutlich wurde nach der Fällung des Baumes einfach vergessen nachzuarbe­iten.

Es ist inzwischen auch nicht mehr nachvollzi­ehbar, wann genau sich dies zugetragen hat“, sagte Kratzig. Auf jeden Fall werde das Amt das Geländer in den nächsten Wochen von dem Stammstück befreien. Zudem sollen die Mitarbeite­r aufgeforde­rt werden, künftig bei ähnlichen Fällen gleich nach der Pflegemaßn­ahme die Reste zu beseitigen. Wer dieses Wunder der Natur noch live sehen möchte, sollte sich also beeilen und zum Johannesuf­er aufbrechen.

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Fotograf Marco Schmidt entdeckte diesen kuriosen Baum am Flutgraben hinter dem Haus der Sozialen Dienste am Johannesuf­er. Foto: Marco Schmidt
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Unser Leser Bernd Dittmann schickte dieses Foto ein. Foto: Bernd Dittmann

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