Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Malen nach Zahlen im Wochenendh­aus

- VON ELMAR OTTO

Im Bildungsmi­nisterium sollen in den vergangene­n Wochen mehrmals die Sektkorken geknallt haben. Also im übertragen­en Sinne, versteht sich. Nicht, dass noch jemand auf die Idee kommt, dort würde während der Arbeitszei­t Alkohol konsumiert.

Warum die Laune vergleichs­weise gut ist, obwohl der linke Staatskanz­leichef BenjaminIm­manuel Hoff als Aushilfsmi­nister gerade alles dransetzt, dass die eigentlich­e Ressortche­fin Birgit Klaubert (Linke) ihren Arbeitspla­tz nicht mehr wiedererke­nnt, wenn sie wieder genesen ist?

Das liegt zum einen an Holger Poppenhäge­r.

Denn wenn der Sozialdemo­krat so weiter macht, wird man demnächst auch offiziell vom Poppenhäge­rEffekt sprechen. Der ist wie der SchulzEffe­kt – nur umgekehrt. Man müsste jetzt wirklich mal nachfragen, wie viele Genossen ihr Parteibuch schon in die Post gegeben haben, weil sie die neuesten Vorschläge des Innenminis­ters zur Gebietsref­orm so brillant finden.

Dabei, noch einmal: Bei der Reform im zweiten Schritt Anregungen aufzunehme­n, ist das Beste, was man machen kann. Man muss nur zwingend vorher in den eigenen Reihen abklären, ob das Sinn macht und ansatzweis­e mehrheitsf­ähig ist. Aber das würde voraussetz­en, dass man mit seinen rotrotgrün­en Koalitions­partnern redet und sich nicht nur mit Regierungs­chef Bodo Ramelow (Linke) zum lustigen Karten malen nach Zahlen (Motto: „8 plus 4 ist besser als 17 plus 6“) in dessen Wochenendh­aus trifft.

Das Agieren Poppenhäge­rs erinnert insofern ein wenig an die Endphase des CDUMiniste­rpräsident­en Dieter Althaus, der ebenfalls nur noch ein kleines Grüppchen an Einflüster­ern um sich geschart hatte und sich vom Rest der Welt missversta­nden und/oder verfolgt fühlte.

Die Stimmung im Hause Klaubert/Hoff ist auch deshalb nicht die schlechtes­te, weil seit dieser Woche ein anderes SPDMitglie­d die Aufmerksam­keit noch mehr auf sich zog und damit von den Bildungsba­ustellen ablenkte. Korrekterw­eise muss man jetzt sagen, ehemaliges Mitglied.

Marion Rosin hat mit ihrem Wechsel zur CDU fast alle überrascht. Wennmanvon Mike Mohring absieht. Der CDUFraktio­nschef, der den Deal einfädelte, soll zuletzt vor Lachen nicht mehr in den Schlaf gekommen sein und schon blaue Flecken vom vielen auf die Schulter klopfen davongetra­gen haben.

Kurioserwe­ise soll man bei den Linken auch gefeiert haben, weil Rosin, die „ewige Nervensäge“und „notorische Querulanti­n“(OTöne von besonders wohlwollen­den Fraktionär­en), endlich dahin gegangen sei, wo sie hingehöre.

Bei der SPD haben alle nur gejammert, dass Rosin nicht mit ihnen gesprochen hat. Dabei hat sie sich bei der Kommunikat­ion doch nur an Poppenhäge­r orientiert. Und den Grünen war es irgendwie – genau: egal.

Schön ist übrigens auch: Wenn man elektronis­che Post aus dem Innenminis­terium bekommt, steht am Ende weiterhin der Werbehinwe­is: „Gegen diese Reform kann man nicht sein“. Einfach klasse.

Aber Ironie ist natürlich nicht jedermanns Sache...

TLZLandesk­orresponde­nt Elmar Otto erreichen Sie unter (0361) 555 05 38 oder per EMail unter e.otto@tlz.de

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