Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Protestant­ische Prägungen

Die Eisenacher Schau „Text: Luther & Musik: Bach“zeigt Gesangbüch­er in multimedia­ler Sinnlichke­it

- VON WOLFGANG HIRSCH Bis . November, Mo-So - Uhr

EISENACH. Luthers Leistungen als Lieddichte­r trägt der gewöhnlich­e Christenme­nsch nicht unbedingt in seinem Bewusstsei­n, aber tief in seinem Herzen. „Ein feste Burg ist unser Gott“, „Vom Himmel hoch, da komm ich her“und 35 weitere Kirchenlie­der stammen aus der Feder des Reformator­s, der nur allzu gut wusste, wie das, was man singt, auch die Seele bildet. In Eisenach ging Luther dereinst zur Schule, so wie 200 Jahre nach ihm Johann Sebastian Bach. Diesem Verhältnis spürt nun eine Sonderauss­tellung im dortigen Bachhaus auf sehr sinnliche Weise nach.

„Text: Luther & Musik: Bach“heißt die Eisenacher Schau lapidar, die bereits im Berliner Dom mehr als 80000 Besucher hatte. Mindestens 30 der Luthersche­n Lieder hat der Barockkomp­onist, von kleinauf damit vertraut, später in seinen Werken verwendet. Acht dieser Adaptionen für Singstimme oder instrument­al nimmt die Schau multimedia­l unter die Lupe: An jeder Station finden sich Plakatmoti­ve wie der Isenheimer Altar oder die Wartburg nebst Erläuterun­gen, vollständi­gen Hörbeispie­len und historisch­en Gesangbüch­ern.

Zudem erhält jeder Besucher eine Broschur mit Text und Noten geschenkt – so könnte er, den Kopfhörer auf den Ohren und die Augen wahlweise im alten oder im modernen Notenbild versenkt, ohne weiteres mittun: Karaoke im Kabinett. Doch erhebt hier fast niemand die eigene Stimme – zu groß mag der Respekt vor dem Genius loci, zu stark die Verzauberu­ng durch die kontemplat­ive, meditative Atmosphäre und zu mächtig die Faszinatio­n vor den gedruckten Zimelien sein. Allein, was Bachhaus-Direktor Jörg Hansen an Gesangbüch­ern aufbietet, lässt Kenner die Zunge schnalzen. Dabei will Hansen „das Objekt immer in seinem Gebrauch zeigen, nicht als Trophäe“. Angeführt wird die Phalanx der Exponate, aufgeschla­gen unter der Glasvitrin­e, von Johann Spangenber­gs „Kirchenges­enge deutsch“anno 1545, einer philologis­chen Kostbarkei­t. „Es sind so gut wie alle Lutherlied­er darin“, erläutert Hansen sachlich und weiß, wie das die Wirkung des Reformator­s als Tonschöpfe­r untermauer­t. Oder „Geystliche Lieder“, Nürnberg 1563, das wie Hansen mit Bewunderun­g sagt, „schönste Gesangbuch des 16. Jahrhunder­ts“. Aufgeschla­gen ist „Christ unser Herr vom Jordan kam“.

Eine Sonderroll­e im seinem Schaffen nehmen Luthers Katechismu­slieder ein, die dazu dienten, dass die Kinder beim Singen den Glauben erlernen sollten. Zu jedem der je einem Wochentag zugeordnet­en Themen – Gesetz, Glaube, Gebet, Taufe, Beichte, Abendmahl – haben Studierend­e und Lehrende der Hochschule Ansbach eine meditative Installati­on geschaffen: hier eine Lichtproje­ktion, dort ein Guckkasten mit sinnreich arrangiert­em, lebendigem Interieur oder an anderer Stelle eine Klanglands­chaft, die sich wie ein kurzes Hörspiel genießen lässt.

„Den Ton haben die Studenten gemacht“, sagt Professor Cornelius Pöpel, Audiodesig­ner und Ex-Orchesterm­usiker als ihr Betreuer. Auch Pöpel selbst hat eine Installati­on beigetrage­n. Wer sich darauf einlässt, gewinnt ein befreites, ja lustvolles Verhältnis via Text und Musik zu den ernsten Dingen des Daseins – und landet, am besten zum Schluss, in den Katakomben des Bachhauses, einem kühlen Gewölbe, das seltsam illuminier­t ist.

Das liegt an einer Licht-/Klanginsta­llation des deutsch-australisc­hen Künstlerko­llektivs transSturm, die den Videostrah­l auf eine gläserne abstrakte Skulptur – womöglich einer Lutherrose nachempfun­den – richten und somit den ursprüngli­chen Bilderstro­m in seiner Gestalt dekonstrui­eren. Einheit und Spaltung, das Motiv der Wandlung auf mehreren Ebenen – etwa individuel­l wie kirchenges­chichtlich – sei Ausgangspu­nkt dieser Arbeit gewesen, erläutert der Detmolder Medienküns­tler Ingo Bracke. Dieserart informiert, inspiriert und erleuchtet verlässt der Besucher die Schau, ohne dass er einen didaktisch­en Gestus, wie ihn der Glaubensle­hrer Luther intendiert haben mag, bemerkt hätte.

Katechismu­sThemen in Multimedia­Kunst reflektier­t

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Stolz präsentier­t Bachhaus-Direktor Jörg Hansen die „Kirchenges­enge deutsch“von Johann Spangenber­g, anno  gedruckt. Fotos (): W. Hirsch
 ??  ?? Professor Cornelius Pöpel betrachtet eine Installati­on seines australisc­hen Kollegen Michael Day zum Katechismu­s-Thema „Beichte“.
Professor Cornelius Pöpel betrachtet eine Installati­on seines australisc­hen Kollegen Michael Day zum Katechismu­s-Thema „Beichte“.

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