Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Protestantische Prägungen
Die Eisenacher Schau „Text: Luther & Musik: Bach“zeigt Gesangbücher in multimedialer Sinnlichkeit
EISENACH. Luthers Leistungen als Lieddichter trägt der gewöhnliche Christenmensch nicht unbedingt in seinem Bewusstsein, aber tief in seinem Herzen. „Ein feste Burg ist unser Gott“, „Vom Himmel hoch, da komm ich her“und 35 weitere Kirchenlieder stammen aus der Feder des Reformators, der nur allzu gut wusste, wie das, was man singt, auch die Seele bildet. In Eisenach ging Luther dereinst zur Schule, so wie 200 Jahre nach ihm Johann Sebastian Bach. Diesem Verhältnis spürt nun eine Sonderausstellung im dortigen Bachhaus auf sehr sinnliche Weise nach.
„Text: Luther & Musik: Bach“heißt die Eisenacher Schau lapidar, die bereits im Berliner Dom mehr als 80000 Besucher hatte. Mindestens 30 der Lutherschen Lieder hat der Barockkomponist, von kleinauf damit vertraut, später in seinen Werken verwendet. Acht dieser Adaptionen für Singstimme oder instrumental nimmt die Schau multimedial unter die Lupe: An jeder Station finden sich Plakatmotive wie der Isenheimer Altar oder die Wartburg nebst Erläuterungen, vollständigen Hörbeispielen und historischen Gesangbüchern.
Zudem erhält jeder Besucher eine Broschur mit Text und Noten geschenkt – so könnte er, den Kopfhörer auf den Ohren und die Augen wahlweise im alten oder im modernen Notenbild versenkt, ohne weiteres mittun: Karaoke im Kabinett. Doch erhebt hier fast niemand die eigene Stimme – zu groß mag der Respekt vor dem Genius loci, zu stark die Verzauberung durch die kontemplative, meditative Atmosphäre und zu mächtig die Faszination vor den gedruckten Zimelien sein. Allein, was Bachhaus-Direktor Jörg Hansen an Gesangbüchern aufbietet, lässt Kenner die Zunge schnalzen. Dabei will Hansen „das Objekt immer in seinem Gebrauch zeigen, nicht als Trophäe“. Angeführt wird die Phalanx der Exponate, aufgeschlagen unter der Glasvitrine, von Johann Spangenbergs „Kirchengesenge deutsch“anno 1545, einer philologischen Kostbarkeit. „Es sind so gut wie alle Lutherlieder darin“, erläutert Hansen sachlich und weiß, wie das die Wirkung des Reformators als Tonschöpfer untermauert. Oder „Geystliche Lieder“, Nürnberg 1563, das wie Hansen mit Bewunderung sagt, „schönste Gesangbuch des 16. Jahrhunderts“. Aufgeschlagen ist „Christ unser Herr vom Jordan kam“.
Eine Sonderrolle im seinem Schaffen nehmen Luthers Katechismuslieder ein, die dazu dienten, dass die Kinder beim Singen den Glauben erlernen sollten. Zu jedem der je einem Wochentag zugeordneten Themen – Gesetz, Glaube, Gebet, Taufe, Beichte, Abendmahl – haben Studierende und Lehrende der Hochschule Ansbach eine meditative Installation geschaffen: hier eine Lichtprojektion, dort ein Guckkasten mit sinnreich arrangiertem, lebendigem Interieur oder an anderer Stelle eine Klanglandschaft, die sich wie ein kurzes Hörspiel genießen lässt.
„Den Ton haben die Studenten gemacht“, sagt Professor Cornelius Pöpel, Audiodesigner und Ex-Orchestermusiker als ihr Betreuer. Auch Pöpel selbst hat eine Installation beigetragen. Wer sich darauf einlässt, gewinnt ein befreites, ja lustvolles Verhältnis via Text und Musik zu den ernsten Dingen des Daseins – und landet, am besten zum Schluss, in den Katakomben des Bachhauses, einem kühlen Gewölbe, das seltsam illuminiert ist.
Das liegt an einer Licht-/Klanginstallation des deutsch-australischen Künstlerkollektivs transSturm, die den Videostrahl auf eine gläserne abstrakte Skulptur – womöglich einer Lutherrose nachempfunden – richten und somit den ursprünglichen Bilderstrom in seiner Gestalt dekonstruieren. Einheit und Spaltung, das Motiv der Wandlung auf mehreren Ebenen – etwa individuell wie kirchengeschichtlich – sei Ausgangspunkt dieser Arbeit gewesen, erläutert der Detmolder Medienkünstler Ingo Bracke. Dieserart informiert, inspiriert und erleuchtet verlässt der Besucher die Schau, ohne dass er einen didaktischen Gestus, wie ihn der Glaubenslehrer Luther intendiert haben mag, bemerkt hätte.
KatechismusThemen in MultimediaKunst reflektiert