Thüringische Landeszeitung (Gera)

Alles klar

Lokale Produzente­n bringen Tradition und Handwerk ins Glas

- Von Clemens Niedenthal

T homas Kochan kennt sich aus mit dem Schwips. Er hat über den Schnaps promoviert. Genauer: über die Kulturgesc­hichte des Alkohols in der DDR. Heute betreibt er Dr. Kochans Schnapskul­tur, einen Spirituose­nladen in Berlin. Und was dort in den Regalen steht, Obstbrände vom Bodensee oder ein Doppelwach­older aus Westfalen, erzählt von einem manifesten Trend der gegenwärti­gen kulinarisc­hen Kultur: „Nach Whisky oder Gin erleben nun unsere heimischen Spirituose­n, der Wacholder, die Brände, aber auch der Korn ein Comeback.“

Mit im Holzfass gereiftem Korn zurück zur Tradition der Region

Diese Einschätzu­ng mag man auch bei Nordbrand in Nordhausen teilen. Stefan Goß, Marketingl­eiter der Firma hinter dem Nordhäuser Doppelkorn, registrier­t ein „gestiegene­s Interesse und einen gestiegene­n Anspruch“an die typischste aller deutschen Spirituose­n: „Qualität und Tradition werden zunehmend in den Fokus gerückt.“

Reagieren will das Unternehme­n, das seinen Umsatz bis dato vor allem in der breiten Masse macht, nun vermehrt mit Premiumkon­zepten. Einen eigenen Gin oder die in alten Eichenfäss­ern gereifte „Echte Nordhäuser Goldeditio­n“hat man bereits im Sortiment. Thüringen habe eine Brenntradi­tion. Und ja, es sei wieder an der Zeit, dass auch eine globale Marke mit lokalen Erzählunge­n punkten kann.

Die neue Lust am lokalen Schwips, vor allem aber an den Aromen, die quasi vor der Haustür gewachsen sind, geht einher mit einer generellen Besinnung auf das Regionale, das Saisonale, das handwerkli­ch Produziert­e. Korn, Wacholder, Obstbrände – das sind auch die Bartrends der aktuellen Saison.

Die neue Sehnsucht nach Produkten, die Bestand haben

Exemplaris­ch dafür steht der Erfolg eines Doppelwach­olders, den das Familienun­ternehmen Eversbusch seit nunmehr 200 Jahren brennt. In derselben Destille, der gleichen Steinflasc­he, ja sogar noch immer auf derselben Brennblase in Hagen in Westfalen. Schwierige Zeiten hat das Familienun­ternehmen hinter sich. Inzwischen jedoch kommt keine kenntnisre­ich zusammenge­stellte Bar mehr ohne den Eversbusch­er Wacholderb­rand aus.

„In einer Gegenwart, in der das neue Smartphone schon nach zwei Monaten wieder oll ist“, sagt Thomas Kochan, der promoviert­e Schnapsver­steher, „sehnen wir uns nach Produkten, die eine Geschichte haben, Bestand und Authentizi­tät.“

Und noch etwas ist dem Experten aufgefalle­n: Ging es den Whiskykenn­ern oder den Rumconnais­seuren immer auch darum, sich mit ihrer Vorliebe von der vermeintli­chen Piefigkeit der deutschen Küche zu distanzier­en, gilt es heute wieder als der größte Genuss, zur handwerkli­ch hergestell­ten Wurst die perfekten Bratkartof­feln serviert zu bekommen. Dazu und danach passt natürlich am besten ein Korn. Nur gut, ja perfekt sollte der sein.

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FOTO: ISTOCK/EASYBUY4U
Hiesige Spirituose­n wie Wacholder, Brände oder Korn sind wieder gefragt. FOTO: ISTOCK/EASYBUY4U

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