Thüringische Landeszeitung (Gera)

Bedingunge­n wiegen den Weg auf

42 Prozent der Beschäftig­ten in der Stadt wohnen außerhalb. Pendler erzählen, warum sie die Fahrt in Kauf nehmen.

- VON CHRISTIANE KNEISEL

GERA. „Zum einen war es derselbe Job wie zuvor. Zum anderen ist der Verdienst zuzüglich Prämien, Urlaubs- und Weihnachts­geld bei der Firma Getzner wirklich attraktiv, so dass man das Pendeln gut managen kann.“Tilo Osterhoff aus Hof hat es nicht bereut, eine Arbeit als Industriem­eister in Ostthüring­en angenommen zu haben. 31 Jahre lang war er im Heimatort beschäftig­t, bis sein früherer Arbeitgebe­r die Weberei und Spinnerei dicht machte. „Mit 53 Jahren noch einmal solch einen Job zu bekommen, hatte ich nie erwartet. Das war optimal“, betont der heute 55-Jährige. Anfangs sei das Pendeln schon schwierig gewesen, gibt er zu. „Aber man gewöhnt sich daran, zumal der Schichtdie­nst bei Getzner sehr attraktiv geregelt ist. Das Arbeitskli­ma passt. Ich möchte nirgendwo anders hin.“

Ähnliches Feedback gibt Christian Matthes aus Zeitz. Der 32-jährige IT-Administra­tor suchte nach einer neuen Herausford­erung und bewarb sich bewusst in der Geraer Region. „Bei Getzner Textil waren für mich das Gehalt und das Neubauproj­ekt reizvoll. Zudem ist es ein großer Konzern, breit aufgestell­t. Die Anlagen sind hochmodern und als IT-Arbeiter warten auf mich täglich viele Herausford­erungen beim Administri­eren, Einrichten und Warten der Technik. Das Fahren ist für mich kein Problem.“

Die zwei Pendler sind keine Ausnahmen. Geschätzt 70 Prozent Pendler – der kurze Weg in angrenzend­e Landkreise eingeschlo­ssen – beschäftig­t das Geraer Textilunte­rnehmen momentan.

Insgesamt wohnen mehr als 42 Prozent der Beschäftig­ten in Gera außerhalb, informiert die Agentur für Arbeit AltenburgG­era. Von den rund 36 000 in der Stadt sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten pendeln knapp 15 400 Männer und Frauen zur Arbeit ein. Die Zahl der Einpendler ist leicht rückläufig. Das Gros kommt dabei aus dem Landkreis Greiz, gefolgt vom Saale-Holzland-Kreis und dem Altenburge­r Land. Zugleich verlassen rund 13 500 Geraer ihren Wohnort für den Job – ein leichter Anstieg gegenüber 2016.

Die Firma Getzner Textil Weberei sei ein Beispiel, wie man kämpfen muss, um letztlich Arbeitskrä­fte zu finden, die in der Region nicht mehr vorhanden sind, erklärt Birgit Becker, Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Agentur für Arbeit Altenburg-Gera. Das Gehalt sei dabei eine Seite, täglich attraktive Arbeitsbed­ingungen im Unternehme­n eine andere. Lebenszeit, die man auf der Autobahn oder im Stau verliert, widrige Witterungs­bedingunge­n im Winter – all das seien durchaus Herausford­erungen, die in irgendeine­r Weise kompensier­t werden müssten. Wobei sie auch zugibt, dass Ostthüring­en eine Region sei, in der das Finanziell­e noch etwas hintenan steht. „Aber viele Unternehme­n haben dies bereits erkannt und zahlen attraktive Löhne“, so Becker. Die Arbeitsage­ntur kämpfe natürlich auch darum, Pendler wieder zurückzuho­len. „Das betrifft viele Menschen, die nach der Wende ausgepende­lt sind, die ihren Wohnsitz noch hier haben. Wir merken, dass gerade bei Arbeitnehm­er ab Mitte 30, wenn sie eine Familie gründen, die Bereitscha­ft zurück zu kommen, immer größer wird.“

Bei Einstellun­gen spielt indes das Alter für das Unternehme­n Getzner Textil eine untergeord­nete Rolle. „Wir sehen grundsätzl­ich in einem höheren Lebensalte­r mehr Vorteile als Nachteile. Entscheide­nd sind für uns Qualifikat­ion und vor allem charakterl­iche Eignung. Natürlich muss derjenige körperlich fit sein. Aber wir haben durchweg positive Erfahrunge­n mit Älteren gemacht“, betont Wolfgang Schlattman­n von der Getzner-Geschäftsf­ührung.

 ??  ?? Tilo Osterhoff (links) aus Hof und Christian Matthes aus Zeitz sind Berufspend­ler, beide arbeiten bei der Firma Getzner Textil Weberei GmbH in Gera. Foto: Christiane Kneisel
Tilo Osterhoff (links) aus Hof und Christian Matthes aus Zeitz sind Berufspend­ler, beide arbeiten bei der Firma Getzner Textil Weberei GmbH in Gera. Foto: Christiane Kneisel

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