Thüringische Landeszeitung (Gera)
Eisenach und Gera lehnen Vorschlag ab
FlüchtlingsInitiative stößt auf Zurückhaltung
JENA/ EISENACH. Die Reaktionen auf die Initiative der Thüringer Flüchtlingsbeauftragten Mirjam Kruppa sind zurückhaltend. Sie hatte einen Aufruf an die Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister versendet und geworben, dass die Kommunen ihre Möglichkeiten zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen prüfen.
„Die Stadt Eisenach ist schon jetzt überdurchschnittlich mit Integrationsaufgaben konfrontiert“, sagte eine Sprecherin von Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke). Sie beklagt, dass für „diese besondere Belastung“keine Honorierung durch das Land erfolge und macht deutlich: „Bevor neue Fragen aufgeworfen werden, sollten die ‚alten Baustellen‘ abgeräumt sein.“
Gera indes lehnt die Initiative wie Eisenach ab. Seenotrettung sei „Aufgabe der EU und sollte auch von dieser koordiniert werden“, so eine Sprecherin von OB Julian Vonarb (parteilos).
Jenas OB Thomas Nitzsche (FDP) erinnert an Zuständigkeiten, die es nun mal gebe.
ERFURT/ EISENACH/ EICHSFELD. Der Eichsfelder Landrat Werner Henning (CDU) erinnert die Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge, Mirjam Kruppa, an die ihr zugedachte Aufgabe. „In Ihrem an die Thüringer Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister angekündigten Schreiben verlassen Sie Ihre föderalstaatliche Beauftragung als Fürsprecherin der in Thüringen lebenden Flüchtlinge“, schreibt Henning in einem „Offenen Brief“an die Beauftragte als Reaktion auf deren Ansinnen, dass Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister in Thüringen prüfen sollten, ob in ihrer Gebietskörperschaft die Möglichkeit zur freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingen bestehen würde, die aus Seenot gerettet wurden (TLZ berichtete).
Henning macht in seinem Brief eine deutliche Ablehnung deutlich, kritisiert: „Es kann nicht angehen, dass staatliche Funktionsträger andere im Staatsaufbau eingebundene Mandatsträger dazu verleiten, die festgelegte Ordnung durch eigene Wertsetzungen zu ignorieren.“Landräte und Oberbürgermeister würden Verantwortung für die hier lebenden Menschen tragen. Der Vorschlag Kruppas würde „sicher ungewollt weitere Ängste in der Bevölkerung provozieren und zumindest die Harmonisierungsbemühungen der Kommunen im Umfeld der schon hier lebenden Flüchtlinge beträchtlich erschweren“, schreibt er.
Deutlich positiver hat Sabine Berninger (Linke) auf die Initiative reagiert. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der LinkeFraktion im Landtag sprach von einem „guten Zeichen aus Thüringen an die Bundesregierung“. Und weiter: „Es ist eine Initiative, die anknüpft an die wunderbare Seebrücke-Bewegung, die seit einigen Wochen das Engagement der Seenotretter und Seenotretterinnen, und wie diese durch europäische Regierungen behindert und am Lebenretten gehindert werden, in den Blick der Öffentlichkeit rückt.“
Zurückhaltend reagiert Berningers Parteifreundin Katja Wolf (Linke). Die Oberbürgermeisterin von Eisenach sagt auf TLZ-Nachfrage: „Die Stadt Eisenach ist überdurchschnittlich mit Integrationsaufgaben konfrontiert. Diese besondere Belastung wird vom Land nicht honoriert.“Das Land sage seit Jahren die „vollständige“Übernahme der Kosten für die Bewachung der Gemeinschaftsunterkunft in Eisenach zu, „ohne dies jemals eingelöst zu haben“. Ein Sprecher des Migrationsministeriums widerspricht. Die Landesregierung habe nicht zugesagt, die Bewachungskosten vollstän- dig zu übernehmen. Bewachungskosten könnten über eine den Kommunen bekannte Verwaltungsvorschrift hinaus nur „bei nachgewiesener besonderer Gefährdungssituation erstattet werden“.
Auch Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) lässt über eine Sprecherin mitteilen, dass Gera seinen Verpflichtungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen bereits über Gebühr wahrnimmt. „Wenn Flüchtlinge über den offiziellen Weg nach Thüringen gelangen und uns zugewiesen werden, nehmen wir diese auf.“Jenas OB Thomas Nitzsche (FDP) erinnert an Zuständigkeiten. „Wir reden hier über eine Frage der Menschlichkeit. Aber es gibt auch Zuständigkeiten. Deswegen finde ich das Verfahren falsch und halte nichts von Deklarationitis“, sagt Nitzsche der TLZ. Die Entscheidung, wer komme, liege nicht in der Hand der Kommunen. „Wer vorgibt, die Flüchtlingsfrage sei auch ein Feld für kommunalpolitische Gestaltung, der bietet den Populisten dieser Welt dann auch im Stadtrat genau die Bühne, die sie suchen“, so Nitzsche. Es gebe keine kommunale Handhabe.
Ähnliches lässt die Stadt Weimar verlauten. Man werde weiter alle Flüchtlinge, die nach Königssteiner Schlüssel zugewiesen werden, aufnehmen. „Die Stadt Weimar teilt jedoch die Rechtsauffassung des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen, wonach das Begehren, den von der Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge verfassten offenen Brief zu unterzeichnen, rechtlich unzulässig ist.“
„Staatliche Politik muss sich zuvorderst an der Beherrschung ihrer übernommenen konkreten Aufgaben messen lassen, anstatt propagandistisch der Gemeindeebene fortwährend Ratschläge zur Erreichung einer anderen Welt zu erteilen.“Landrat Werner Henning (CDU)