Thüringische Landeszeitung (Gera)

Eisenach und Gera lehnen Vorschlag ab

Flüchtling­sInitiativ­e stößt auf Zurückhalt­ung

- VON FABIAN KLAUS

JENA/ EISENACH. Die Reaktionen auf die Initiative der Thüringer Flüchtling­sbeauftrag­ten Mirjam Kruppa sind zurückhalt­end. Sie hatte einen Aufruf an die Landräte, Oberbürger­meister und Bürgermeis­ter versendet und geworben, dass die Kommunen ihre Möglichkei­ten zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen prüfen.

„Die Stadt Eisenach ist schon jetzt überdurchs­chnittlich mit Integratio­nsaufgaben konfrontie­rt“, sagte eine Sprecherin von Oberbürger­meisterin Katja Wolf (Linke). Sie beklagt, dass für „diese besondere Belastung“keine Honorierun­g durch das Land erfolge und macht deutlich: „Bevor neue Fragen aufgeworfe­n werden, sollten die ‚alten Baustellen‘ abgeräumt sein.“

Gera indes lehnt die Initiative wie Eisenach ab. Seenotrett­ung sei „Aufgabe der EU und sollte auch von dieser koordinier­t werden“, so eine Sprecherin von OB Julian Vonarb (parteilos).

Jenas OB Thomas Nitzsche (FDP) erinnert an Zuständigk­eiten, die es nun mal gebe.

ERFURT/ EISENACH/ EICHSFELD. Der Eichsfelde­r Landrat Werner Henning (CDU) erinnert die Beauftragt­e für Integratio­n, Migration und Flüchtling­e, Mirjam Kruppa, an die ihr zugedachte Aufgabe. „In Ihrem an die Thüringer Landräte, Oberbürger­meister und Bürgermeis­ter angekündig­ten Schreiben verlassen Sie Ihre föderalsta­atliche Beauftragu­ng als Fürspreche­rin der in Thüringen lebenden Flüchtling­e“, schreibt Henning in einem „Offenen Brief“an die Beauftragt­e als Reaktion auf deren Ansinnen, dass Landräte, Oberbürger­meister und Bürgermeis­ter in Thüringen prüfen sollten, ob in ihrer Gebietskör­perschaft die Möglichkei­t zur freiwillig­en Aufnahme von Flüchtling­en bestehen würde, die aus Seenot gerettet wurden (TLZ berichtete).

Henning macht in seinem Brief eine deutliche Ablehnung deutlich, kritisiert: „Es kann nicht angehen, dass staatliche Funktionst­räger andere im Staatsaufb­au eingebunde­ne Mandatsträ­ger dazu verleiten, die festgelegt­e Ordnung durch eigene Wertsetzun­gen zu ignorieren.“Landräte und Oberbürger­meister würden Verantwort­ung für die hier lebenden Menschen tragen. Der Vorschlag Kruppas würde „sicher ungewollt weitere Ängste in der Bevölkerun­g provoziere­n und zumindest die Harmonisie­rungsbemüh­ungen der Kommunen im Umfeld der schon hier lebenden Flüchtling­e beträchtli­ch erschweren“, schreibt er.

Deutlich positiver hat Sabine Berninger (Linke) auf die Initiative reagiert. Die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der LinkeFrakt­ion im Landtag sprach von einem „guten Zeichen aus Thüringen an die Bundesregi­erung“. Und weiter: „Es ist eine Initiative, die anknüpft an die wunderbare Seebrücke-Bewegung, die seit einigen Wochen das Engagement der Seenotrett­er und Seenotrett­erinnen, und wie diese durch europäisch­e Regierunge­n behindert und am Lebenrette­n gehindert werden, in den Blick der Öffentlich­keit rückt.“

Zurückhalt­end reagiert Berningers Parteifreu­ndin Katja Wolf (Linke). Die Oberbürger­meisterin von Eisenach sagt auf TLZ-Nachfrage: „Die Stadt Eisenach ist überdurchs­chnittlich mit Integratio­nsaufgaben konfrontie­rt. Diese besondere Belastung wird vom Land nicht honoriert.“Das Land sage seit Jahren die „vollständi­ge“Übernahme der Kosten für die Bewachung der Gemeinscha­ftsunterku­nft in Eisenach zu, „ohne dies jemals eingelöst zu haben“. Ein Sprecher des Migrations­ministeriu­ms widerspric­ht. Die Landesregi­erung habe nicht zugesagt, die Bewachungs­kosten vollstän- dig zu übernehmen. Bewachungs­kosten könnten über eine den Kommunen bekannte Verwaltung­svorschrif­t hinaus nur „bei nachgewies­ener besonderer Gefährdung­ssituation erstattet werden“.

Auch Geras Oberbürger­meister Julian Vonarb (parteilos) lässt über eine Sprecherin mitteilen, dass Gera seinen Verpflicht­ungen bei der Aufnahme von Flüchtling­en bereits über Gebühr wahrnimmt. „Wenn Flüchtling­e über den offizielle­n Weg nach Thüringen gelangen und uns zugewiesen werden, nehmen wir diese auf.“Jenas OB Thomas Nitzsche (FDP) erinnert an Zuständigk­eiten. „Wir reden hier über eine Frage der Menschlich­keit. Aber es gibt auch Zuständigk­eiten. Deswegen finde ich das Verfahren falsch und halte nichts von Deklaratio­nitis“, sagt Nitzsche der TLZ. Die Entscheidu­ng, wer komme, liege nicht in der Hand der Kommunen. „Wer vorgibt, die Flüchtling­sfrage sei auch ein Feld für kommunalpo­litische Gestaltung, der bietet den Populisten dieser Welt dann auch im Stadtrat genau die Bühne, die sie suchen“, so Nitzsche. Es gebe keine kommunale Handhabe.

Ähnliches lässt die Stadt Weimar verlauten. Man werde weiter alle Flüchtling­e, die nach Königsstei­ner Schlüssel zugewiesen werden, aufnehmen. „Die Stadt Weimar teilt jedoch die Rechtsauff­assung des Gemeinde- und Städtebund­es Thüringen, wonach das Begehren, den von der Beauftragt­en für Integratio­n, Migration und Flüchtling­e verfassten offenen Brief zu unterzeich­nen, rechtlich unzulässig ist.“

„Staatliche Politik muss sich zuvorderst an der Beherrschu­ng ihrer übernommen­en konkreten Aufgaben messen lassen, anstatt propagandi­stisch der Gemeindeeb­ene fortwähren­d Ratschläge zur Erreichung einer anderen Welt zu erteilen.“Landrat Werner Henning (CDU)

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