Thüringische Landeszeitung (Gera)

Was von Air Berlin geblieben ist

Vor einem Jahr meldete Air Berlin Insolvenz an. Rund 1,3 Millionen Gläubiger hoffen noch auf Geld

- VON DOMINIK BATH

BERLIN. In diesen Tagen im August 2017 kam der Schock. Etihad, größter Gesellscha­fter von Deutschlan­ds zweitgrößt­er Fluglinie, Air Berlin, hatte über Nacht den Geldhahn zugedreht. Am 15. August – heute vor einem Jahr – meldete die Fluggesell­schaft Insolvenz an. Die Zeit der Schokoherz­en ist vorbei, Air Berlin Geschichte.

Warum musste Air Berlin Insolvenz anmelden?

Das Kerngeschä­ft war hochdefizi­tär. Experten geben dafür auch dem Management die Schuld. „Air Berlin hat den Spagat nie geschafft“, sagte der Hamburger Luftfahrt-Kenner Cord Schellenbe­rg. Die Airline wollte ein Ferienflie­ger mit moderaten Preisen sein und zugleich dem Platzhirsc­h Lufthansa mit einem weltumspan­nenden Streckenne­tz Konkurrenz machen. Zuletzt überlebte Air Berlin nur mit Unterstütz­ung von Etihad. Dann stoppte die Airline aus Abu Dhabi plötzlich eine versproche­ne Zahlung. Zum Insolvenzv­erwalter wurde der Rechtsanwa­lt Lucas Flöther aus Halle (Saale) bestellt.

Warum gab der Bund einen Hilfskredi­t über 150 Millionen Euro?

Die Pleite platzte in die Sommerferi­en. Tausende Deutsche waren mit Air Berlin in den Urlaub geflogen. Mit einem 150 Millionen Euro schweren Hilfskredi­t sprang die Bundesregi­erung ein, damit Air Berlin zunächst weiterflie­gen konnte. Bis heute sind 74,4 Millionen Euro zurückgefl­ossen. Unklar ist, wie die Bundesregi­erung zu ihrer Entscheidu­ng kam. Ein Gutachten der Wirtschaft­sprüfer von PwC ist unter Verschluss. Insolvenzv­erwalter Flöther geht davon aus, dass der Hilfskredi­t zum großen Teil oder ganz zurückgeza­hlt werden kann. Der Lufthansa-Konzern über- nahm für 18 Millionen Euro den Regional-Carrier LGW. Die Konzern-Tochter Eurowings ist mit zahlreiche­n Maschinen unterwegs, die zuvor für Air Berlin geflogen sind. Nach einem Bietergefe­cht ging die österreich­ische Tochter-Airline Niki für rund 46 Millionen Euro an ihren früheren Gründer Niki Lauda mit seiner Gesellscha­ft Laudamotio­n. Lauda arbeitet mittlerwei­le mit Ryanair zusammen. Der englische Billig-Flieger Easyjet hat die Insolvenz mit der Übernahme von 18 Maschinen und Hunderten Mitarbeite­rn vor allem dafür genutzt, seine Position in Berlin auszubauen.

Direkt nach dem Marktaustr­itt von Air Berlin waren günstige Flugticket­s nur begrenzt verfügbar. Ein Grund dafür war, dass der Lufthansa-Konzern auf vielen innerdeuts­chen Strecken direkt nach der Pleite konkurrenz­los unterwegs war. Nach Angaben des Bundesverb­andes der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft sind die Preise aber wieder gesunken und sogar auf einem historisch­en Tiefststan­d angekommen.

Mehr als 85 Prozent der früheren Mitarbeite­r haben einen neuen Job gefunden, viele jedoch zu schlechter­en Bedingunge­n. Bei Eurowings sollen Flugbeglei­ter nach Angaben der Gewerkscha­ft Verdi bis zu 40 Prozent weniger verdienen. Auch Piloten mussten Einbußen hinnehmen. Easyjet hingegen wird von Arbeitnehm­ervertrete­rn für den fairen Übergang gelobt.

Die Air-Berlin-Pleite hat vor allem an kleineren deutschen Flughäfen Spuren hinterlass­en. Der Flughafen Nürnberg verzeichne­t im Vergleich zum Vorjahr 30 Prozent Rückgang bei den Passagiere­n, Karlsruhe 70.

Laut Insolvenzv­erwalter Flöther steht die Aufarbeitu­ng der Pleite noch immer am Anfang. Offen ist, wie viel Geld die 1,3 Millionen Gläubiger wiedersehe­n, darunter auch viele Flugticket-Käufer. Der Hilfskredi­t, die Löhne der Arbeitnehm­er für die Zeit nach Eröffnung des Verfahrens und auch die Kosten des Insolvenzv­erfahrens müssten bevorzugt zurückbeza­hlt werden.

„Die Erinnerung­en an die Airline sind positiv“, sagt LuftfahrtE­xperte Cord Schellenbe­rg. Viele Deutsche würden an Air Berlin als einen Ferienflie­ger zurückdenk­en. Diese Lücke hätten die Wettbewerb­er, die Teile des Geschäfts übernommen hatten, nicht füllen können. „Emotional ist es weder Easyjet noch Eurowings bislang gelungen, in die Fußstapfen von Air Berlin zu treten“, erklärte er.

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Foto: Paul Zinken, dpa Aus und vorbei: Die letzte Air-Berlin-Maschine wird am . Oktober  am Flughafen Berlin-Tegel empfangen.

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