Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Das lange Warten der Heimkinder
Betroffene aus DDRZeiten fordern leichteren Zugang zu Entschädigungen
„Ich erwarte und verlange, dass die Bundesregierung schleunigst zustimmt.“Iris Gleicke, SPD, OstBeauftragte, zu dem Vorstoß aus Thüringen und Sachsen, Heimkinder leichter zu rehabilitieren.
Das Zögern der Bundesregierung, die Entschädigung ehemaliger DDRHeimkinder zu erleichtern, stößt bei den Betroffenen auf Unverständnis. „Das muss gemacht werden, die Haltung der Bundesregierung ist nicht nachvollziehbar“, sagt der Vorsitzende des Bautzen-Komitees zur Aufarbeitung von Verbrechen kommunistischer Gewaltherrschaft, Alexander Latotzky. „Wenn die Eltern inhaftiert waren, ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass auch die Kinder entschädigt werden“, so Latotzky.
Als Sohn einer politischen Gefangenen verbrachte der heute 68-Jährige die ersten sieben Jahre seines Lebens in verschiedenen Kinderheimen der DDR.
Die Bundesregierung verweigert bislang die Zustimmung zu einer Gesetzesvorlage, die Sachsen und Thüringen in den Bundesrat eingebracht haben. Dem Entwurf zufolge müssten ehemalige Heimkinder demnach künftig nur noch ihre Unterbringung und die Inhaftierung der Eltern nachweisen.
Nach bislang geltender Rechtslage müssen sie dagegen den Nachweis erbringen, dass ihre Unterbringung politisch motiviert war – was wegen fehlender Dokumente häufig nicht möglich ist. Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), hatte das Zögern der Bundesregierung als „beschämend“kritisiert, „auch angesichts der großzügigen Rehabilitierung der Schwulen, die wir gerade beschlossen haben“. „Ich erwarte und verlange, dass die Bundesregierung dem schleunigst zustimmt“, sagte Gleicke. Latotzky sagt: „Das muss vereinfacht werden, weil häufig die Akten verschwunden sind. Meine Akten sind auch weg.“
Alexander Latotzky wurde 1948 im sowjetischen Speziallager Bautzen als Sohn einer politischen Gefangenen und eines sowjetischen Wachmanns geboren (TLZ berichtete). Seine ersten Lebensjahre verbrachte er in mindestens fünf DDR-Kinderheimen. Seine Mutter starb 1967 im Alter von 41 Jahren an den Folgen ihrer Haft. Erst 1995 wurde sie von der Bundesrepublik rehabilitiert, Latotzky selbst im Jahr 2003.