Thüringische Landeszeitung (Gotha)

NSU-Anwälte bremsen Gericht

Wohllebens Verteidigu­ng stellte diesmal einen Befangenhe­itsantrag

- VON MARTIN DEBES

Der NSU-Prozess dreht sich wieder einmal im Kreis. Drei Wochen hatte die Hauptverha­ndlung wegen mehrerer Befangenhe­itsanträge gegen einzelne Richter zwangspaus­iert, nur um gestern erneut unterbroch­en zu werden.

Die Verteidigu­ng von Ralf Wohlleben kündigte einen weiteren Befangenhe­itsantrag an. Er werde sich, hieß es, gegen jene Richter richten, die zuvor die insgesamt sechs Befangenhe­itsanträge ablehnt hatten, die von Wohlleben und der Hauptangek­lagten Beate Zschäpe gestellt worden waren.

Der 6. Senat des Oberlandes­gerichts München dürfte dieses Ersuchen ebenso abschlägig bescheiden wie die vorigen Befangenhe­itsanträge. Doch dies alles kostet Zeit – was aus Sicht mancher Nebenklage­vertreter das Ziel von Wohlleben ist.

Der Opferanwal­t Yavuz Narin stellte gestern die These auf, dass der Angeklagte versuche, die Beweisaufn­ahme bis zum 4. Juni zu strecken. Denn dann würden die Vorstrafen Wohllebens aus dem Bundeszent­ralregiste­r gelöscht – und dürften so bei der Strafzumes­sung nicht mehr beachtet werden.

Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders bezeichnet­e die Aussage Narins auf Nachfrage als „fantasievo­ll“, aber substanzlo­s. Klar scheint dennoch: Der Senat unter dem Vorsitz von Manfred Götzl will zum Ende kommen – und zumindest ein Teil der Angeklagte­n eher nicht. Die jüngsten Manöver der Verteidige­r hatten am 9. März begonnen, als Götzl das Ende der Beweisaufn­ahme ankündigte und somit den Weg für die Plädoyers und ein baldiges Urteil bereiten wollte.

Bevor gestern die Verhandlun­g unterbroch­en wurde, um Wohllebens Verteidigu­ng die gewünschte Zeit zur Vorbereitu­ng des Befangenhe­itsantrags zu geben, stellte sich die Bundesanwa­ltschaft hinter das Gericht. Staatsanwä­ltin Anette Greger sagte, es sei nach annähernd vier Jahren Prozessdau­er nachvollzi­ehbar, wenn der Richter eine kurze Frist für letzte Beweisantr­äge verkünde.

Die Verhandlun­g wird heute fortgesetz­t.

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