Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Schulz versucht Neustart mit positiven Tönen
SPDKanzlerkandidat gibt sich beim ersten großen Auftritt nach den verlorenen Landtagswahlen und setzt auf einen ProEuropaWahlkampf
Fast klingt es so, als habe es den Dämpfer für Martin Schulz und seine SPD gar nicht gegeben. Der Kanzlerkandidat wird mit minutenlangen „Martin, Martin“-Rufen empfangen, viele der Genossen beim Landesparteitag der bayerischen SPD in Schweinfurt schwenken rote SPD-Fahnen zur Begrüßung. Es ist der erste große Auftritt des Parteichefs nach der verlorenen NRW-Wahl, aber jetzt ist von Depression keine Spur.
Kaum hat Schulz seine Rede begonnen, donnert er seinen Anspruch in den Saal, die SPD solle bei der Bundestagswahl „stärkste Partei“werden. Und er selbst, trete an, um Bundeskanzler zu werden. Stürmischer Beifall der Delegierten. Dabei blendet Schulz die Niederlagen nicht aus. An diesem Tag prophezeit er den Genossen einen „langen, steinigen Weg“. Was der Kanzlerkandidat dann vorlegt, klingt stellenweise wie ein Neustart seiner Kampagne: Gerechtigkeit bleibt zwar das Kernthema. Aber die Kritik an vermeintlich ungerechten Zuständen im Land rückt Schulz deutlich in den Hintergrund – das hatte den Nerv vieler Wähler nicht getroffen, ihm aber den Vorwurf eingetragen, das Land schlechtzureden. Schulz schaltet um. Sein Motto heißt jetzt: „Wenn es morgen noch gerecht zugehen soll, dann müssen wir heute in die Zukunft investieren.“Deutschland sei ein „tolles Land“, die Menschen könnten stolz sein, sagt der Kandidat im neuen Schulz-Sound. Er wolle das Land gerechter machen, wo man es gerechter machen könne: Kitaplätze, Pflege, Krankenversicherung, gleicher Lohn für Frauen und Männer, mehr Weiterbildung sind einige Stichworte. Aber viel mehr noch spricht Schulz von Zukunft – er fordert Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Forschung oder den ländlichen Raum.
Bei der Steuerpolitik bleibt er vage. Familien und normale Arbeitnehmer wolle die SPD entlasten, aber nicht mit der Gießkanne Steuern senken für jene, die es nicht nötig hätten. Ähnlich wie der französische Präsident Emmanuel Macron macht Schulz offensiv einen proeuropäischen Wahlkampf, will eine deutsch-französische Initiative für ein „sozial gerechtes Wachstumseuropa“ergreifen.
Noch ist vieles unkonkret, Schulz will zügig nachliefern. Mitte Juni wird sein Buch „Was mir wichtig ist“erscheinen, in dem er ausführlich Überzeugungen und Pläne schildern will.