Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Individuelle Schicksale hinterm hölzernen Antlitz
Skulpturen und Grafiken zeigt die Berliner Bildhauerin Gisela Eichardt im Augustinerkloster
Charaktervolle Persönlichkeiten mit starker Ausstrahlung kennenlernen kann der Betrachter der neuen Ausstellung im Augustinerkloster: Persönlichkeiten aus Holz, manche aus Stein. Aber nicht nur Skulpturen – auch Reliefs und Grafiken zeigt die 1964 in Jena geborene, jetzt in Berlin lebende Künstlerin Gisela Eichardt.
Auf den ersten Blick erkennt man realistisch ausgeprägte Physiognomien. Dezent pastellig eingefärbt, hier und da mit Farbakzenten versehen sind die Figuren. Das hat wohl mit der Liebe der Künstlerin zur Renaissancekunst zu tun, in der die Farbe eine wichtige Rolle spielt.
Unmerkliche Abstraktion
Wo aber bleibt die vom Realen abweichende Abstraktion, die das Kunstwerk vom lebendigen Vorbild unterscheidet, ja, es erst zum Kunstwerk macht? Der zweite, schon intensivere Blick gibt der Bildhauerin Recht: „Nein, naturalistisch sind meine Figuren nicht – die Proportionen etwa des Gesichts stimmen, anatomisch gesehen, ganz und gar nicht. Sollen sie auch nicht. Mich interessiert nicht die Oberfläche, sondern die Seele hinter dem Gesicht.“Tatsächlich – hinter jedem der plastischen Porträts glaubt man ganz spezielle Schicksale zu entdecken …
Sie gehöre nicht zu jenen Bildhauern, die sich über den Umweg eines gezeichneten Entwurfs ans Material heranwagen, sagt sie. Sie gehe „gleich ans Material“. Allerdings arbeite sie nicht spontan, sondern besonnen und langsam. Schließlich sei der Gesichtsausdruck sehr wichtig, der Rückschlüsse auf die „Seele dahinter“zulasse und die Kommunikation mit dem Betrachter erst ermögliche.
Andererseits, bekennt Gisela Eichardt, hätte sie schon Lust, „auch mal wieder am Modell zu arbeiten“. Denn von Zeit zu Zeit brauche man „auch mal andere Typen“. Was heißen will: Dem Experimentieren steht sie durchaus aufgeschlossen gegenüber.
In der Ausstellung erblickt man Menschen, die mal in sich versunken, mal herausfordernd, mal ängstlich, mal stolz und abweisend, mal in geistige Fernen blickend unterschiedlichste Bewusstseinszustände offenbaren. Und diese authentische Ehrlichkeit, diese Unverstelltheit sind es letztlich, die das Herz des Betrachters bewegen und ihn, in der Erinnerung, in den Alltag begleiten können.
Nicht achtlos vorübergehen sollte man an den acht Farbholzschnitten Gisela Eichardts unter dem Titel „Florales“im Kirchenschiff: Formenstruktur und Farbigkeit der Drucke hinterlassen tatsächlich so etwas wie ästhetisches Wohlbefinden.