Thüringische Landeszeitung (Gotha)

g zerstr tten in die Sommerpaus­e

Das Klima zwischen Regierungs­fraktionen und der CDU ist so schlecht wie selten zuvor

- VON SEBASTIAN HAAK

In einer Demokratie ist die Aufgabe der Opposition, das, was die Regierung und die sie tragende Koalition tut oder lässt, kritisch zu hinterfrag­en. Damit die Mächtigen auf Zeit in ihrer machtvolle­n Zeit nicht nach Belieben schalten und walten können. Deshalb ist es im Sinne des Systems, dass sich Opposition und Regierung in vielen Dingen nicht einig sind, sondern aus verschiede­nen Perspektiv­en auf die gleichen Sachen blicken. Aber Demokratie funktionie­rt trotzdem nicht richtig, wenn sich das Regierungs- und das Opposition­slager fast nur noch gegenseiti­g beschimpfe­n und sich Arbeitsver­weigerung vorwerfen – statt die Argumente der Gegenseite wenigstens zu prüfen. So wie das gerade in Thüringen der Fall ist, wo sich Linke, SPD und Grüne auf der einen und vor allem die CDU auf der anderen Seite fast nur noch mit nicht nett-gemeinten Pauschalur­teilen überziehen. In die Sommerpaus­e geht die Landespoli­tik deshalb tief, ja völlig zerstritte­n.

Selten ließ sich das zuletzt so gut beobachten wie während jener Aktuellen Stunde, die auf Antrag der CDU in diesem letzten Landtagspl­enum vor der Sommerpaus­e diskutiert worden war. Titel: „Vermurkste Reformen und Zweifel an der eigenen Handlungsf­ähigkeit im Kabinett des Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow“. Die Debatte dazu war schließlic­h noch schärfer, noch härter, noch unfreundli­cher als diese Überschrif­t es erwarten ließ – eben weil es derzeit keine Grundlage für ernsthafte Gespräche zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU gibt. Nicht bei der Funktional-, Verwaltung­s- und Gebietsref­orm. Nicht bei der Inneren Sicherheit. Nicht bei der Haushaltsp­olitik. Nicht bei der Bildung. Obwohl all diese Politikfel­der für die Zukunft des Freistaats von höchster Bedeutung sind.

Da war zum Beispiel der CDU-Fraktionsv­orsitzende Mike Mohring, der auch in dieser Debatte der Koalition vorwarf, nur politisch gescheiter­te Menschen in die Regierung berufen zu haben oder sich an der Zukunft der Thüringer Kinder zu versündige­n, weil das Dreierbünd­nis die Probleme mit dem Unterricht­sausfall nicht in den Griff bekomme. Mehrfach hatte sich Mohring dabei auch auf die vor wenigen Tagen öffentlich gewordene E-Mail des Chefs der Thüringer Staatskanz­lei, Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), bezogen, in der dieser davor gewarnt hatte, dass der Landesregi­erung die Handlungsu­nfähigkeit drohe, wenn sich die rot-rotgrünen Ministerie­n weiterhin gegenseiti­g im Regierungs­kabinett blockierte­n. Was Mohring dann final dazu trieb zu behaupten: „Niemand in dieser Regierung kann es, diese Regierung kann es nicht.“

In ihrer Erwiderung auf diese Grundsatzk­ritik standen die Rot-Rot-Grünen Mohring in nichts nach – und warfen ihrerseits der CDU vor, als Opposition­spartei völlig zu versagen. Der SPD-Fraktionsv­orsitzende Matthias Hey zum Beispiel sagte, die CDU komme ihm vor wie jemand, der sich im Liegestuhl mit einem Cocktail in der Hand amüsiere, während die Koalition in der Hitze für das Land arbeite und schwitze. Hoff wurde sogar noch giftiger: „Sie machen zurzeit nichts weiter als zu sagen: Die machen’s falsch!“, sagte er. Die CDU mache seit Langem keinen einzigen konstrukti­ven Vorschlag zur Landespoli­tik, so der Vorwurf von Hey. Und weiter: „Sie haben jede Verpflicht­ung bisher verfehlt, zu sagen, was Sie eigentlich tun wollen und an welcher Stelle Sie etwas besser machen würden.“

Was an dieser verbalen Konfrontat­ion besonders bitter ist: Die CDU-Vorwürfe an die Regierung und die Koalition sind in ihrer Pauschalit­ät ebenso ungenau und falsch, ja populistis­ch wie es die rot-rot-grünen Vorwürfe in Richtung CDU sind. Denn selbstvers­tändlich hat Rot-Rot-Grün zuletzt eigene politische Akzente gesetzt – zum Beispiel bei der Einführung des für Eltern beitragsfr­eien KitaJahrs. Und ebenso selbstvers­tändlich hat die CDU eigene Vorstellun­gen für eine Verbesseru­ng des Thüringer Schulsyste­ms vorgelegt.

Nicht mal die etablierte­n Parteien im Freistaat allerdings scheinen derzeit in der Lage zu sein, ihre gegenseiti­ge Arbeit zu den großen Themen des Landes anzuerkenn­en und zu merken, dass Arbeit auch das ist, was den eigenen politische­n Vorstellun­gen nicht entspricht. Das ist kurz vor der Sommerpaus­e nicht weniger gefährlich als kurz danach.

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Opposition und Regierung lassen derzeit kein gutes Haar aneinander. Foto: Martin Schutt
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„Niemand in dieser Regierung kann es, diese Regierung kann es nicht.“Mike Mohring, CDUChef und Vorsitzend­er der größten Opposition­sfraktion im Landtag
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„Sie machen zurzeit nichts weiter als zu sagen: Die machen’s falsch!“Matthias Hey, SPDFraktio­nsvorsitze­nder, an die Adresse der CDU im Landtag

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