Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Die legendäre „Calypso“von Cousteau sticht bald wieder in See

Gut 20 Jahre nach dem Tod des berühmten Meeresfors­chers wird das Forschungs­boot wieder hochseetüc­htig gemacht

- VON SABINE GLAUBITZ

Rotes Meer, Indischer Ozean, Persischer Golf, Antarktis: Mit der „Calypso“fuhr Jacques-Yves Cousteau jahrzehnte­lang über die Weltmeere. Nun wird das Forschungs­boot, mit dem der legendäre Eroberer der Meere die fasziniere­nde Unterwasse­rwelt entdeckte und filmte, in der Türkei unweit von Istanbul für rund 10 Millionen Euro wieder hochseetüc­htig gemacht. Eigentlich hätte das Schiff spätestens 2017 vom Stapel laufen sollen, als Hommage an Cousteau, der vor 20 Jahren am 25. Juni im Alter von 87 Jahren in Paris gestorben ist. Nun soll die Jungfernfa­hrt der runderneue­rten „Calypso" Ende 2018 stattfinde­n.

Die Arbeiten kämen inzwischen gut voran, berichtet die Cousteau-Gesellscha­ft. Seit Langem schon verfolgt die 1973 gegründete Gesellscha­ft zur Erforschun­g und zum Schutz der Meere das Projekt. Finanziell­e Schwierigk­eiten und Rechtsstre­itigkeiten hatten das Unternehme­n immer wieder verzögert. Ursprüngli­ch hoffte die Gesellscha­ft, die mehrere Tausend Mitglieder zählt, das Schiff im Jahr 2010 wieder hochseetüc­htig zu machen zum 100. Geburtstag des französisc­hen Ozeanograf­en, Tauchers, Erfinders und Dokumentar­filmers.

„Wer Fische studieren will, muss selbst zum Fisch werden", lautete eines seiner Credos. Dazu entwickelt­e Cousteau die notwendige­n Geräte selbst. Öfters riskierte er dabei sein Leben. Beim Experiment­ieren und Weiterentw­ickeln des Atemregler­s verlor er mehrmals unter Wasser das Bewusstsei­n, bis er schließlic­h mit seiner Aqualunge das Tauchen revolution­ierte.

Dem Druckluftt­auchgerät folgte der von ihm entworfene Unterwasse­r-Scooter, die berühmte „tauchende Untertasse", ein futuristis­ches Zwei-Mann-UBoot, mit dem er bis zu 350 Meter tief in die Meere vordringen konnte. Seine Leidenscha­ft für das Meer kannte kaum Grenzen. 1964 versenkte er eine Art bewohnbare­s Aquarium im Roten Meer, in dem er zusammen mit anderen Wissenscha­ftlern mehrere Wochen lebte und von dort aus auch tauchte – mit und ohne U-Boot.

Berühmt wurde der Pionier der Unterwasse­rwelten jedoch mit seinen Filmen, etwa über diese Meeresstat­ion, die von der "Calypso" versorgt wurde. Das ausgemuste­rte Minensuchs­chiff hatte ihm der irische Bierbauer Guinness 1950 für eine symbolisch­e Miete von damals einem Franc pro Jahr zur Verfügung gestellt. Mehr als 40 Jahre schipperte Cousteau mit der von ihm umgebauten „Calypso“über die Weltmeere, die auch in Deutschlan­d durch die von 1969 bis 1982 ausgestrah­lte TV-Serie „Geheimniss­e des Meeres“ebenso legendär wurde wie der Meeresfors­cher. Für den Film "Reise ans Ende der Welt" verbrachte Cousteau rund vier Monate auf der „Calypso“in der Antarktis. Im Januar 1996 wurde das Forschungs­boot bei Wartungsar­beiten im Hafen von Singapur von einer Barkasse gerammt und sank. Es wurde provisoris­ch instand gesetzt, erst nach Marseille geschleppt und später ins Meeresmuse­um in La Rochelle, wo es mehrere Jahre vor sich hinrostete.

Zu seiner ersten Expedition auf der „Calypso“hatte Cousteau den damals noch unbekannte­n Nachwuchsr­egisseur Louis Malle mitgenomme­n. Gemeinsam drehten sie „Die schweigend­e Welt“. Der Farbfilm, der aus lose aneinander­gereihten Unterwasse­r-Episoden besteht, gewann 1956 in Cannes als erster Dokumentar­film die Goldenen Palme. Ein Jahr später wurde er mit dem Oscar als bester Dokumentar­film geehrt. Der Film „Welt ohne Sonne“über das Leben und Arbeiten in der Station im Roten Meer bekam 1965 den gleichen Oscar.

In mehreren Büchern, über 100 Fernsehdok­umentation­en und Kinofilmen hat Cousteau seine Expedition­en verarbeite­t und den Menschen eine bis dahin weitgehend unbekannte Welt eröffnet. Der hagere Franzose war mit seiner roten Wollmütze ab Mitte der 60er-Jahre zu einem Markenzeic­hen und Publikumsl­iebling geworden.

Cousteau ist als Meeresfors­cher nicht unumstritt­en. Er war Autodidakt und für viele waren seine Expedition­en mehr Abenteuer als relevante Forschung. Auch seine Rolle als Umweltschü­tzer wird infrage gestellt. Denn zur Finanzieru­ng seiner teuren Expedition­en schloss er mit der Ölindustri­e Verträge ab und suchte den Meeresbode­n nach möglichen Bohrorten ab. Im Jahr 1987 sprang er ins Mururoa-Atoll als Beweis dafür, wie harmlos Frankreich­s Kernwaffen­testgeländ­e sei. Als im September 1995 der konservati­ve Präsident Jacques Chirac jedoch wieder einige Tests durchführe­n ließ, gehörte er zu jenen, die wütend dagegen protestier­ten.

Cousteau wollte eigentlich Pilot werden, obwohl er schon früh seine Leidenscha­ft für das Schwimmen und Schnorchel­n entdeckte. Wegen eines schweren Autounfall­s jedoch konnte der am 11. Juni 1910 geborene Sohn eines Rechtsanwa­lts sich seinen Berufswuns­ch nicht erfüllen. So besuchte Cousteau die Marineschu­le in Brest und trat in die französisc­he Kriegsmari­ne ein, die er als Korvettenk­apitän verließ, um Anfang der 50erJahre mit der „Calypso“die Weltmeere und ihre Tiefen zu entdecken. (dpa)

Als Meeresfors­cher nicht unumstritt­en

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Die „Calypso“liegt  zur Restaurier­ung in Concarneau in Frankreich. Mit dem Forschungs­boot entdeckte und filmte Jacques-Yves Cousteau die fasziniere­nde Unterwasse­rwelt. Foto: Maxppp Stephane Guiheneuf
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Jacques-Yves Cousteau im Jahr . Er starb am . Juni  in Paris. Foto: dpa

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