Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Unter freiem Himmel

Keine Sitzordnun­g, keine Menüfolge und alle bringen etwas mit. Picknicken ist die wohl demokratis­chste Form des Essens — und wird derzeit als Sommertren­d wiederentd­eckt

- Von Andrea Hahn

I m Freien gegessen wurde schon immer und überall – ob in der Antike, im Japan des 8. Jahrhunder­ts während der Kirschblüt­e oder im Mittelalte­r, als Reisende aus Platzmange­l vor den Gasthäuser­n speisten. Doch im Fahrwasser von Genusstren­ds, Foodblogs und einer Rückbesinn­ung auf bewusstes und geselliges Essen erfährt auch das Picknick zur Zeit ein Comeback. Lieber viele Kleinigkei­ten Und so greifen auch immer mehr Restaurant­s und Bistros den Freilufttr­end auf und entwickeln Angebote für ihre Kunden. Zum Beispiel Conny Bergner. Sie bietet für die Besucher des Unesco-Biosphären­reservats Rhön seit vergangene­m Jahr einen Picknickko­rbverleih an. In ihrem Restaurant Zum Wetzstein in der Erlebniswe­lt Rhönwald gelegen, setzt Bergner auf regionale Spezialitä­ten. Und das führt sie bei ihrem Picknickan­gebot fort. „Ich habe mir regionale Kooperatio­nspartner gesucht, mit denen ich meine Körbchen füllen konnte.“

Wer in Bergners Restaurant einen Picknickko­rb mietet, bekommt neben knusprigen Brötchen, einem warmen oder kalten Getränk und frischem Obst auch Wurstspezi­alitäten aus einem Bauernlade­n in Tann (Rhön) und Marmeladen und Brotaufstr­iche aus einer Manufaktur in Unterweid (Rhön). „Alles ist in kleinen, praktische­n Portionsgr­ößen.“Denn beim Picknick lautet die Devise: Lieber viele Kleinigkei­ten als wenige große Portionen. Auch mit mundgerech­tem Fingerfood, Sandwiches, herzhaften Mini-Quiches und süßen Törtchen lässt sich Abwechslun­g in den Korb bringen. Und damit die kleinen Köstlichke­iten auch in der Sommersonn­e appetitlic­h bleiben, ist es ratsam, auf frische Mayonnaise mit rohem Ei zu verzichten. Stattdesse­n schmecken Salatdress­ing und Sandwichsa­ucen auf Joghurt- oder Saure-Sahne-Basis. Statt Butter eignet sich Frischkäse­creme. Frische Salate bleiben, als Einzelport­ionen in Schraubglä­ser geschichte­t und erst vor dem Verzehr umgerührt, knackig. Und auch bei den süßen Desserts schlägt ein formstabil­es Nusstörtch­en jedes zartschmel­zende Schoko- oder Cremeküchl­ein. Beim Zubehör setzt Picknickko­rbverleihe­rin Bergner auf Geschirr aus stabilem Kunststoff. „Bei mir gibt es keine Plastikbec­her zum Wegschmeiß­en.“Das spart das Extragewic­ht von echtem Porzellan, ist aber im Angesicht fliegender Pappteller, Müllberge und abbrechend­er Kunststoff­gabeln eine gute Alternativ­e. Beim Picknick ist jeder zugleich Gast und Gastgeber Wer nun aber den Namen Picknick erfunden hat, darüber streiten sich Briten und Franzosen bis heute. Die heute bekannte Form soll Ende des 18. Jahrhunder­ts in britischen Adelskreis­en entstanden sein: als Auszeit von der strengen Etikette, von Sitzordnun­gen und Menüfolgen. Und auch heute noch ist es die geradezu demokratis­che Form des Essens, die den Reiz des Wiesenschm­auses ausmacht: Beim Picknick ist jeder zugleich Gast und Gastgeber. Jeder bringt etwas mit und gegessen wird so lange, bis die Sonne untergeht.

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