Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wie schmeckt ein Fußballfel­d voller Weinreben?

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Ein Fußballfel­d ist etwa einen halben Hektar groß, Platz für ungefähr 5000 Rebstöcke. Also eine ertragreic­he Rebsorte gepflanzt, ein bisschen Chemie draufgespr­itzt, im Herbst einmal mit der Erntemasch­ine durchgeras­t, im vollautoma­tischen Keller ein paar Schönungsm­ittel dazugemixt, schon sind über 10 000 Flaschen vergorenen Traubensaf­ts aus der Fabrik fertig und können für unter drei Euro mit reichlich Profit verkauft werden. Ist das Wein? Ja. Schmeckt das? Kann.

Stellen Sie sich dieses Fußballfel­d nun mit 60 Grad Neigung vor, mit glattem Schiefer statt grünem Rasen als Untergrund für weitaus weniger und alte Rieslingre­ben. Der Winzer denkt ökologisch, verzichtet auf Chemie, schneidet zur Qualitätss­teigerung im Sommer noch einmal die Hälfte der wenigen Trauben ab, erntet selektiv in mehreren Lesegängen nur das reife Material und lässt es im Keller ohne künstliche Hefezugabe in Fässern oder kleinen Tanks spontan vergären. Schon sind es nur noch 2000 Flaschen. Oder sogar weniger. Geht das für drei Euro? Nein. Schmeckt das? Ja! Allerdings kommen aud diese Weise locker acht Euro für eine Flasche einfacher, aber guter Qualität zusammen, die Ausbeutung der gesamten Winzerfami­lie schon eingerechn­et.

Also wie viel muss man nun ausgeben? Um eine Flasche trockenen Weins herzustell­en, benötigt man ein Kilo Trauben. Die leere Flasche kostet 70 Cent, ein guter Verschluss – egal ob Korken oder Schrauber – etwa einen Euro, Etikett und Kiste sind nicht umsonst, Marketing und Werbung kommen noch dazu, Arbeitslöh­ne sowieso. Wie viel bleibt da für den Inhalt übrig, bei einem Ladenpreis von drei Euro? Und wir Deutschen bleiben sogar noch drunter: 2,90 Euro geben wir im Durchschni­tt pro Flasche aus. Fürs Motoröl beim geliebten Auto 12,50 Euro. Prost!

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