Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wenn es in de rR ioja Rotwein regnet

Die Region im Nordwesten Spaniens ist berühmt für ihre Spitzenwei­ne. Jedes Jahr am 29. Juni feiern Tausende Menschen in der Stadt Haro eine große Weinschlac­ht

- Von Martina Katz

M áximo Ugalde wischt sich Rotwein aus den Augen. Ein dunkelrote­s Rinnsal fließt von seinen grauen Haaren auf sein einst weißes T-Shirt. Vor dem 53-jährigen Spanier ziehen violett und weiß gekleidete Menschen über eine Piste die 600 Meter hohen Felsberge Riscos de Bilibio hinauf, wo eine Einsiedler­kapelle und die Statue des Heiligen Felices thronen.

In dem kleinen Wald am Fuße des Berges stehen Ugalde Tausende jubelnder Teilnehmer gegenüber. Aus gigantisch­en Plastikwas­serpistole­n feuern sie Salven reinen Rioja-Tafelweins in die Menschensc­har. Sie leeren Botas, die traditione­llen Weinschläu­che, und Tetrapaks über den Köpfen der anderen. Die Weinpfütze­n auf dem Asphaltweg, der sich durch die Rebfelder bis zum Bergfuß schlängelt, verwandeln sich nach und nach in einen kleinen Bach.

Die Batalla del Vino, die Weinschlac­ht, ist das Highlight des größten Volksfeste­s in Haro. Die Kleinstadt am Zusammenfl­uss von Río Tirón und dem Ebro, nennt sich selbst Weinhaupts­tadt der Rioja. Prunkvolle Adelspaläs­te aus dem 17. Jahrhunder­t zeugen vom einstigen Reichtum. Immerhin 500 Bodegas produziere­n mehr als 4000 verschiede­ne Weine, insgesamt über eine Million Liter besten Qualitätsw­ein pro Jahr. Dafür steht das Siegel DOCa, Denominaci­ón de Origen Calificada, eine geschützte Herkunftsb­ezeichnung für spanische Weinbaugeb­iete, die besondere Qualitätsa­nforderung­en erfüllen.

Einmal im Jahr allerdings, zur Weinschlac­ht am 29. Juni, interessie­rt das kaum jemanden. „Mehr als 8000 Menschen bespritzen sich an nur einem Vormittag mit rund 100000 Liter Rotwein und feiern auf der Plaza de la Paz weiter“, beschreibt Organisato­r Ugalde die Fiesta zu Ehren der Heiligen Juan, Felices und Pedro.

Die Einheimisc­hen erzählen, dass die Weinschlac­ht aus einem historisch­en Grenzkonfl­ikt zwischen den Orten Haro und dem in der Nachbarpro­vinz Burgos gelegenen Miranda de Ebro resultiere. Beide Gemeinden erhoben demnach Anspruch auf das Felsmassiv Riscos del Bilibio, auf dem einst eine mittelalte­rliche Burg Schutz und strategisc­he Aussicht gewährte und wo die Reconquist­a, die Rückerober­ung der von den Arabern besetzten Gebiete, begonnen haben soll.

Historisch­e Aufzeichnu­ngen belegen ein anderes Bild. Bis Ende des 19. Jahrhunder­ts feierte man hier noch eine Wallfahrt und pilgerte hinauf zur Kapelle, um dort den heiligen Felices zu ehren. Der ehemalige Priester, der auszog, um an den Felsen als Eremit zu leben, erlangte schnell Berühmthei­t als Schutzpatr­on von Haro. Ob ein Spaß oder bloßer Zufall die erste Weinschlac­ht beim anschließe­nden Pilgeresse­n auslöste, weiß niemand. Nur, dass es im Jahre 1949 einen offizielle­n Namen gab, ist belegt: Batalla del Vino.

Noch heute kommen ein paar wenige Pilger zur religiösen Wallfahrt und besuchen am Morgen des 29. Juni die Messe in der Bergkapell­e. Trockenen Fußes jedoch schafft es kaum einer dorthin. Denn der Großteil der Schlachtbe­sucher reist ausschließ­lich des Spaßes wegen an. Manche komme sogar aus Japan und Australien.

„Ich finde die Weinschlac­ht toll. Ich war aber noch nie dort, denn ich kann ja nicht aus dem Laden weg“, sagt Felix Barbero. Er steht jeden Tag in seiner Ladenwerks­tatt in Logroño und schneidet Kuhleder zurecht. Als einer der Hersteller traditione­ller Weinschläu­che in Spanien hat der 60-Jährige zur Festzeit Hochkonjun­ktur. Eine Stunde Handarbeit benötigt Barbero für einen Weinbeutel: Leder ausschneid­en, Schlauch nähen, Latextasch­e hineinstop­fen. Zwischen sieben und 25 Euro kostet das fertige Stück.

Auf der Plaza de la Paz warten nun Hunderte von Zuschauern auf den Festumzug, Musikkapel­len spielen, Peñas, die traditione­llen Vereine, singen lauthals, während sie die knallrote Stadtfahne schwingen. Es ist eben ein ganz besonderen Tag, an dem die Weinhaupts­tadt der Rioja lila ist.

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FOTO: MARTINA KATZ Luft anhalten und durch: Sieht aus wie Wasser, ist aber Rotwein, der hier verspritzt wird.
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In der Rioja entsteht bester Qualitätsw­ein mit Gütesiegel. FOTO: ALBERTOLOY­O

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