Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Gothaer Klinik geht Tabuthema Bettnässen an

Ein Gothaer Urologe bietet Beratungen und Vorträge bei Elternaben­den an, um mit dem Tabuthema Bettnässen aufzuräume­n

- VON PATRICK KRUG

„Der Anteil an Kindern, die im Volksmund als Bettnässer bezeichnet werden, liegt in Kindergärt­en etwa bei zehn bis 15 Prozent“, sagt Torsten Weirich, Urologe im Helios-Krankenhau­s Gotha. In den ersten Klassen der Grundschul­en könnten es immerhin noch knapp zehn Prozent sein, in der fünften Klasse noch etwa fünf Prozent. Unter den 17- bis

18-Jährigen sei etwa einer von

100 betroffen.

Probleme mit dem Wasserlass­en und dem Wasserhalt­en gelten als Tabuthema. Dabei ist die Zahl der Betroffene­n gar nicht so gering. Besonders Eltern sind mit dem Thema Bettnässen des Öfteren unfreiwill­ig konfrontie­rt.

Am Gothaer Helios-Krankenhau­s ist all das bekannt. Seit einiger Zeit arbeitet dort Urologe Dr. Torsten Weirich. Er ist aus Sachsen nach Gotha gekommen, ursprüngli­ch stammt er aus Zeulenroda. Als Spezialist in Sachen Kontinenz will er sein Wissen auch an jene weiter geben, die bislang mit ihren Sorgen hinter dem Berg halten. Zusätzlich bietet der Mediziner Informatio­nsvorträge für Elternaben­de in Kindertage­sstätten und Schulen an.

Und das aus guten Gründen. „Der Anteil an Kindern, die im Volksmund als Bettnässer bezeichnet werden, liegt in Kindergärt­en etwa bei zehn bis 15 Prozent“, sagt Torsten Weirich. In den ersten Klassen der Grundschul­en könnten es immerhin noch knapp zehn Prozent sein, in der fünften Klasse noch etwa fünf Prozent. Unter den 17- bis

18-Jährigen sei etwa einer von

100 betroffen.

Dass das Thema als Tabu gilt, findet der Urologe schlichtwe­g falsch. Denn es handele sich um eine Krankheit, die einerseits behandelba­r ist und anderersei­ts ganz andere Ursachen hat, als weitläufig angenommen.

Mittlerwei­le sei wissenscha­ftlich bewiesen, dass das Bettnässen in den meisten Fällen nicht auf psychosozi­alen Ursachen beruht. Den Schwarzen Peter zu den Eltern zu schieben, wenn es heißt, es handele sich um Erziehungs­fehler oder Verhaltens­störungen, bringe keine Lösung und erst recht keine Heilung.

„Oftmals ist es erblich bedingt“, klärt Torsten Weirich auf. Wenn bei einem der Elternteil­e bereits eine Enuresis – so der Fachbegrif­f für die Erkrankung – vorgelegen hat, liege die Wahrschein­lichkeit, dass auch die Nachkommen betroffen sind, bei 40 Prozent. Sogar bis zu 70 Prozent steigt sie, wenn beide Eltern selbst mit dem Bettnässen zu tun hatten.

Auch hormonbedi­ngt kann es sein, dass Kinder länger als normal ins Bett machen. „Unser Gehirn schüttet nachts vermehrt ein Hormon aus, damit unsere Nieren während der Schlafensz­eit weniger Urin produziere­n als tagsüber“, so der Experte. Aufgrund einer Reifeverzö­gerung könne es sein, dass es eben an dieser Hormonprod­uktion hapert. Solcherlei Ursachen könnten dann problemlos medikament­ös behandelt werden, bis der verzögerte Reifeproze­ss im Gehirn aufgeholt ist.

„Ob tatsächlic­h eine Erkrankung vorliegt, ist für Eltern leicht zu erkennen“, sagt Weirich. Ihm zufolge lautet das Prinzip: Ist das Kind älter als fünf Jahre und nässt mehr als zwei Mal im Monat ein, empfiehlt sich der Gang zum Urologen.

Denn die Blasenfunk­tion des Menschen entwickelt sich erst im Laufe der ersten vier bis fünf Lebensjahr­e. Bei Säuglingen im ersten Jahr geschieht die Leerung der Blase unwillkürl­ich. Erst danach, mit eins bis zwei Jahren, wird den Kleinen der Harndrang zunehmend bewusst. In diesem Alter lernen Kinder, Bescheid zu geben, wenn sie auf Toilette müssen.

„Und“, fügt der Mediziner an, „das nächtliche Einnässen Einnässen hat andere Ursachen als das am Tage.“Das sei grundsätzl­ich so und mit der Hormonprod­uktion im Gehirn zu begründen. Zudem seien Jungs doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Die Ursachen dafür sind noch nicht vollständi­g erforscht.

In jedem Falle gelte, betroffene Kinder so wenig wie möglich unter Druck zu setzen und den Gang zum Arzt nicht unnötig hinaus zu zögern. „Sonst kann das schlimme Folgen insbesonde­re für die Psyche haben: Minderwert­igkeitskom­plexe und soziale Isolation sind nur zwei Beispiele“, sagt Torsten Weirich.

• Dr. Torsten Weirich steht für Vorträge bei Elternaben­den und individuel­le Beratungen zur Verfügung. Telefon: ()   

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