Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Gothaer Klinik geht Tabuthema Bettnässen an
Ein Gothaer Urologe bietet Beratungen und Vorträge bei Elternabenden an, um mit dem Tabuthema Bettnässen aufzuräumen
„Der Anteil an Kindern, die im Volksmund als Bettnässer bezeichnet werden, liegt in Kindergärten etwa bei zehn bis 15 Prozent“, sagt Torsten Weirich, Urologe im Helios-Krankenhaus Gotha. In den ersten Klassen der Grundschulen könnten es immerhin noch knapp zehn Prozent sein, in der fünften Klasse noch etwa fünf Prozent. Unter den 17- bis
18-Jährigen sei etwa einer von
100 betroffen.
Probleme mit dem Wasserlassen und dem Wasserhalten gelten als Tabuthema. Dabei ist die Zahl der Betroffenen gar nicht so gering. Besonders Eltern sind mit dem Thema Bettnässen des Öfteren unfreiwillig konfrontiert.
Am Gothaer Helios-Krankenhaus ist all das bekannt. Seit einiger Zeit arbeitet dort Urologe Dr. Torsten Weirich. Er ist aus Sachsen nach Gotha gekommen, ursprünglich stammt er aus Zeulenroda. Als Spezialist in Sachen Kontinenz will er sein Wissen auch an jene weiter geben, die bislang mit ihren Sorgen hinter dem Berg halten. Zusätzlich bietet der Mediziner Informationsvorträge für Elternabende in Kindertagesstätten und Schulen an.
Und das aus guten Gründen. „Der Anteil an Kindern, die im Volksmund als Bettnässer bezeichnet werden, liegt in Kindergärten etwa bei zehn bis 15 Prozent“, sagt Torsten Weirich. In den ersten Klassen der Grundschulen könnten es immerhin noch knapp zehn Prozent sein, in der fünften Klasse noch etwa fünf Prozent. Unter den 17- bis
18-Jährigen sei etwa einer von
100 betroffen.
Dass das Thema als Tabu gilt, findet der Urologe schlichtweg falsch. Denn es handele sich um eine Krankheit, die einerseits behandelbar ist und andererseits ganz andere Ursachen hat, als weitläufig angenommen.
Mittlerweile sei wissenschaftlich bewiesen, dass das Bettnässen in den meisten Fällen nicht auf psychosozialen Ursachen beruht. Den Schwarzen Peter zu den Eltern zu schieben, wenn es heißt, es handele sich um Erziehungsfehler oder Verhaltensstörungen, bringe keine Lösung und erst recht keine Heilung.
„Oftmals ist es erblich bedingt“, klärt Torsten Weirich auf. Wenn bei einem der Elternteile bereits eine Enuresis – so der Fachbegriff für die Erkrankung – vorgelegen hat, liege die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Nachkommen betroffen sind, bei 40 Prozent. Sogar bis zu 70 Prozent steigt sie, wenn beide Eltern selbst mit dem Bettnässen zu tun hatten.
Auch hormonbedingt kann es sein, dass Kinder länger als normal ins Bett machen. „Unser Gehirn schüttet nachts vermehrt ein Hormon aus, damit unsere Nieren während der Schlafenszeit weniger Urin produzieren als tagsüber“, so der Experte. Aufgrund einer Reifeverzögerung könne es sein, dass es eben an dieser Hormonproduktion hapert. Solcherlei Ursachen könnten dann problemlos medikamentös behandelt werden, bis der verzögerte Reifeprozess im Gehirn aufgeholt ist.
„Ob tatsächlich eine Erkrankung vorliegt, ist für Eltern leicht zu erkennen“, sagt Weirich. Ihm zufolge lautet das Prinzip: Ist das Kind älter als fünf Jahre und nässt mehr als zwei Mal im Monat ein, empfiehlt sich der Gang zum Urologen.
Denn die Blasenfunktion des Menschen entwickelt sich erst im Laufe der ersten vier bis fünf Lebensjahre. Bei Säuglingen im ersten Jahr geschieht die Leerung der Blase unwillkürlich. Erst danach, mit eins bis zwei Jahren, wird den Kleinen der Harndrang zunehmend bewusst. In diesem Alter lernen Kinder, Bescheid zu geben, wenn sie auf Toilette müssen.
„Und“, fügt der Mediziner an, „das nächtliche Einnässen Einnässen hat andere Ursachen als das am Tage.“Das sei grundsätzlich so und mit der Hormonproduktion im Gehirn zu begründen. Zudem seien Jungs doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Die Ursachen dafür sind noch nicht vollständig erforscht.
In jedem Falle gelte, betroffene Kinder so wenig wie möglich unter Druck zu setzen und den Gang zum Arzt nicht unnötig hinaus zu zögern. „Sonst kann das schlimme Folgen insbesondere für die Psyche haben: Minderwertigkeitskomplexe und soziale Isolation sind nur zwei Beispiele“, sagt Torsten Weirich.
• Dr. Torsten Weirich steht für Vorträge bei Elternabenden und individuelle Beratungen zur Verfügung. Telefon: ()