Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Bei vielen Eltern sind Handwerksb­erufe negativ belegt“

Im Gespräch mit René Walter, neuer Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t Gotha, über die Begeisteru­ng für seine Zunft und die Nachwuchss­orgen

- VON KLAUSDIETE­R SIMMEN

René Walter ist Kaufmann, mit Leib und Seele. Und er ist einer, dem das Handwerk am Herzen liegt. Das, so fand er, sei gerade die richtige Mischung, um sich an der Ausschreib­ung für den Posten des Geschäftsf­ührers der Kreishandw­erkerschaf­t Gotha zu beteiligen. Am Ende teilte die Handwerker­schaft seine Meinung und machte den gebürtigen Ohrdrufer zu dem Mann, bei dem nun die Fäden im Gothaer Handwerk zusammenla­ufen.

Herr Walter, was fasziniert Sie am Handwerk?

Ich komme aus einer Handwerker­familie. Mein Großvater war Malermeist­er, mein Vater Maurermeis­ter – beide mit eigenem Unternehme­n. Da lernt man früh, wie’s in Handwerksb­etrieben zugeht. Und auch wenn ich es schon zeitig mit Zahlen hatte, habe ich gerne mit ausgeholfe­n, wenn Not am Mann war. So habe ich am Wochenende im väterliche­n Betrieb die Werkzeuge mit gereinigt.

Sie begannen als Geschäftsf­ührer in einer Zeit zu arbeiten, in dem es dem Handwerk gut geht. Volle Auftragsbü­cher und in manchen Gewerken lange Wartezeite­n für die Kunden.

Das ist erfreulich, klar. Ich kenne allerdings auch die andere Seite der Medaille. Fast 15 Jahre habe ich kleine und mittelstän­dische Unternehme­n betreut

und beraten. Da erlebt man nicht nur fröhliche Momente. Deswegen freut es mich natürlich, dass derzeit das Handwerk boomt.

Ganz so sorgenfrei ist die Situation im Handwerk aber natürlich nicht. Es fehlt an Nachwuchs.

Das ist wirklich betrüblich. Einige Gewerke haben hier deutlich mehr zu kämpfen als andere. Bäcker und Fleischer haben große Nachwuchss­orgen, das KfzHandwer­k hingegen weniger. Ich sehe ein Problem darin, dass bei vielen Eltern Handwerksb­erufe negativ belegt sind. In einer modernen Welt muss man doch mit Computern arbeiten und modernster Technik, um auch für die Zukunft fit zu sein. Was diese Eltern nicht wissen, Computer und moderne Technik sind längst im Handwerk angekommen. Anlagenmec­haniker beispielsw­eise sind hoch spezialisi­erte Fachkräfte.

Man muss also bei den Eltern ansetzen?

Davon bin ich fest überzeugt. Man muss ihnen deutlich machen, dass der Lernprozes­s mit dem Gesellenbr­ief nicht abgeschlos­sen ist. Meisterleh­rgänge und Studiengän­ge stehen den jungen Menschen offen. Das muss offensiv beworben werden, um Väter und Söhne gleicherma­ßen fürs Handwerk zu begeistern, natürlich gilt das auch für Mütter und Töchter. Und man darf nicht vergessen, im Handwerk gibt es 130 Berufe, ein breites Spektrum also.

Aber nicht alle werden im Landkreis als Ausbildung­sberuf angeboten.

Nein, das nicht. Aber jeder kann sich bei uns in der Kreishandw­erkerschaf­t Gotha darüber umfassend informiere­n. Die Ausbildung in der Region wird in unseren elf Innungen, einem Fachverban­d und dem Aus- und Fortbildun­gszentrum des Baugewerbe­s in einer Vielzahl von Berufen durchgefüh­rt.

Die Eltern sind also eine wichtige Zielgruppe. Die Begeisteru­ng lässt sich aber nur in den jungen Menschen selbst wecken...

Damit beginnen wir frühzeitig. Es gibt die Handwerker­freizeit, in der die Mädchen und Jungen austesten können, ob dieser Beruf für sie der richtige ist. Das Handwerk im Landkreis ist immer beim Tag der Berufe dabei, schon die Siebt- und Achtklässl­er bekommen spannende Einblicke in die verschiede­nen Gewerke geboten.

Hat das Handwerk auch heute noch goldenen Boden?

Klar, das gilt nach wie vor. Man darf nicht vergessen, mit der Wiedervere­inigung herrschte eine Goldgräber­stimmung, Handwerksb­etriebe schossen wie Pilze aus dem Boden. Und es gab auch viel zu tun. Jetzt hat sich der Markt sozusagen reguliert.

Sie arbeiten eng mit den Innungsobe­rmeistern zusammen?

Das ist Grundvorau­ssetzung für eine erfolgreic­he Arbeit. Nur gemeinsam können wir etwas für das Handwerk in unserer Region bewegen.

 ??  ?? René Walter.
Foto: Klaus-Dieter Simmen
René Walter. Foto: Klaus-Dieter Simmen

Newspapers in German

Newspapers from Germany