Thüringische Landeszeitung (Gotha)
„Bei vielen Eltern sind Handwerksberufe negativ belegt“
Im Gespräch mit René Walter, neuer Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Gotha, über die Begeisterung für seine Zunft und die Nachwuchssorgen
René Walter ist Kaufmann, mit Leib und Seele. Und er ist einer, dem das Handwerk am Herzen liegt. Das, so fand er, sei gerade die richtige Mischung, um sich an der Ausschreibung für den Posten des Geschäftsführers der Kreishandwerkerschaft Gotha zu beteiligen. Am Ende teilte die Handwerkerschaft seine Meinung und machte den gebürtigen Ohrdrufer zu dem Mann, bei dem nun die Fäden im Gothaer Handwerk zusammenlaufen.
Herr Walter, was fasziniert Sie am Handwerk?
Ich komme aus einer Handwerkerfamilie. Mein Großvater war Malermeister, mein Vater Maurermeister – beide mit eigenem Unternehmen. Da lernt man früh, wie’s in Handwerksbetrieben zugeht. Und auch wenn ich es schon zeitig mit Zahlen hatte, habe ich gerne mit ausgeholfen, wenn Not am Mann war. So habe ich am Wochenende im väterlichen Betrieb die Werkzeuge mit gereinigt.
Sie begannen als Geschäftsführer in einer Zeit zu arbeiten, in dem es dem Handwerk gut geht. Volle Auftragsbücher und in manchen Gewerken lange Wartezeiten für die Kunden.
Das ist erfreulich, klar. Ich kenne allerdings auch die andere Seite der Medaille. Fast 15 Jahre habe ich kleine und mittelständische Unternehmen betreut
und beraten. Da erlebt man nicht nur fröhliche Momente. Deswegen freut es mich natürlich, dass derzeit das Handwerk boomt.
Ganz so sorgenfrei ist die Situation im Handwerk aber natürlich nicht. Es fehlt an Nachwuchs.
Das ist wirklich betrüblich. Einige Gewerke haben hier deutlich mehr zu kämpfen als andere. Bäcker und Fleischer haben große Nachwuchssorgen, das KfzHandwerk hingegen weniger. Ich sehe ein Problem darin, dass bei vielen Eltern Handwerksberufe negativ belegt sind. In einer modernen Welt muss man doch mit Computern arbeiten und modernster Technik, um auch für die Zukunft fit zu sein. Was diese Eltern nicht wissen, Computer und moderne Technik sind längst im Handwerk angekommen. Anlagenmechaniker beispielsweise sind hoch spezialisierte Fachkräfte.
Man muss also bei den Eltern ansetzen?
Davon bin ich fest überzeugt. Man muss ihnen deutlich machen, dass der Lernprozess mit dem Gesellenbrief nicht abgeschlossen ist. Meisterlehrgänge und Studiengänge stehen den jungen Menschen offen. Das muss offensiv beworben werden, um Väter und Söhne gleichermaßen fürs Handwerk zu begeistern, natürlich gilt das auch für Mütter und Töchter. Und man darf nicht vergessen, im Handwerk gibt es 130 Berufe, ein breites Spektrum also.
Aber nicht alle werden im Landkreis als Ausbildungsberuf angeboten.
Nein, das nicht. Aber jeder kann sich bei uns in der Kreishandwerkerschaft Gotha darüber umfassend informieren. Die Ausbildung in der Region wird in unseren elf Innungen, einem Fachverband und dem Aus- und Fortbildungszentrum des Baugewerbes in einer Vielzahl von Berufen durchgeführt.
Die Eltern sind also eine wichtige Zielgruppe. Die Begeisterung lässt sich aber nur in den jungen Menschen selbst wecken...
Damit beginnen wir frühzeitig. Es gibt die Handwerkerfreizeit, in der die Mädchen und Jungen austesten können, ob dieser Beruf für sie der richtige ist. Das Handwerk im Landkreis ist immer beim Tag der Berufe dabei, schon die Siebt- und Achtklässler bekommen spannende Einblicke in die verschiedenen Gewerke geboten.
Hat das Handwerk auch heute noch goldenen Boden?
Klar, das gilt nach wie vor. Man darf nicht vergessen, mit der Wiedervereinigung herrschte eine Goldgräberstimmung, Handwerksbetriebe schossen wie Pilze aus dem Boden. Und es gab auch viel zu tun. Jetzt hat sich der Markt sozusagen reguliert.
Sie arbeiten eng mit den Innungsobermeistern zusammen?
Das ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit. Nur gemeinsam können wir etwas für das Handwerk in unserer Region bewegen.