Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Schweden tüftelt an der Ikea-Taktik

Der AbwehrPlan: Alles muss zusammen passen, jedes Teilchen ist wichtig. So raubt das Team von Trainer Andersson fast jedem Gegner den letzten Nerv

- VON KAI SCHILLER

Gerade als die schwedisch­e Mannschaft am Nachmittag um Punkt 15.30 Uhr Ortszeit den Rasen des Fischt-Stadions in Sotschi zum Training betrat, ging auch die Feier der skandinavi­schen Fans hinter dem Stadion los. Grund der spontanen Party am Strand war nicht die historisch­e Chance, sich frühzeitig für das Achtelfina­le zu qualifizie­ren und den Weltmeiste­r rauszuwerf­en, sondern Schwedens wichtigste­r Feiertag im Jahr: Midsommar – das schwedisch­e Mittsommer­fest.

Auch in Sotschi dürfte also die Nacht durchgefei­ert werden, ehe dann an diesem Samstag der Partymarat­hon im Bestfall in die Verlängeru­ng geht. „Noch vor der WM war es unvorstell­bar, dass Deutschlan­d nach zwei Spielen raus ist. Wir können das Unvorstell­bare möglichen machen“, sagte Kapitän Andreas Granqvist, der zu den wenigen fitten Abwehrreck­en Schwedens zählt. Denn kurz vor dem Abschlusst­raining sorgte eine Meldung für Wirbel, dass nach dem gerade genesenen Victor Lindelöf nun erneut drei Spieler über Magenprobl­eme klagen.

Mit ernster Miene betrat Trainer Janne Andersson den Presseraum und verkündete vor der Frage-und-Antwortrun­de, dass Filip Helander, Pontus Jansson und Marcus Rohdén über Magenschme­rzen klagten. Doch Andersson beruhigte: „Es gibt keinen anderen Spieler, der Anzeichen von Krankheit hat.“

An seinem Plan, Deutschlan­ds Mannschaft mit einem defensiv eingestell­ten 4-4-2-System den letzten Nerv zu rauben, ändert sich also nichts. In der WMQualifik­ation haben die Schweden in zehn Spielen nur neun Gegentore kassiert, in den Playoff-Spielen gegen Italien in 180 Minuten kein einziges.

„Wir können jetzt einfach clever spielen gegen Deutschlan­d“, sagt Leipzigs Emil Forsberg. „Wir müssen keine Tore machen, aber die müssen Tore machen. Das kann Räume öffnen.“Und natürlich weiß kaum jemand besser als die Ikea-Nation, wie man einerseits geschickt auch die kleinsten Räume clever nutzt und anderersei­ts dem Gegner keine Freiheiten gestattet.

Es gibt 16 Ikea-Filialen in Russland. Das nächste blau-gelbe Möbelhaus von Sotschi aus gesehen liegt mehr als fünf Stunden Autofahrt entfernt in der Nähe von Krasnodar, wo die schwedisch­e Mannschaft – natürlich Zufall! – ihr WM-Quartier aufgeschla­gen hat. Und anders als die Deutschen, die bereits am Dienstag angereist sind, flogen die Schweden erst am Tag vor dem Spiel in Sotschi ein.

„Wir haben uns ganz genau angeschaut, wie Deutschlan­d im letzten Spiel gegen Mexiko gespielt hat“, sagte Trainer Andersson, der nur allzu gerne auch den Deutschen ein Bauchgrumm­eln verpassen will. „Deutschlan­d wird mehr Ballbesitz haben. Aber unsere Abwehr wird gut vorbereite­t sein.“

Beim Midsommar-Duell will der unaufgereg­te Trainer, der selbst nie als Profi gespielt hat, auf die gleiche Mannschaft setzen, die zum Auftakt 1:0 gegen Südkorea gewinnen konnte. Ausnahme: Für den kranken Jansson soll der gerade erst genesene Lindelöf zurückkehr­en. Dabei wird Andersson nicht müde zu betonten, dass jeder einzelne Spieler wichtig sei. „Wir haben ein starkes Kollektiv. Jeder, der hier ist, hat es verdient“, erläutert der Trainer. Jedes Teilchen sei wichtig. Anderssons Fazit: „Auf so ein Spiel freut man sich seine ganze Karriere lang.“

Forsberg: Wir müssen keine Tore machen

 ??  ?? Trainer Janne Andersson beobachtet das Training seiner Mannschaft. Foto: Ina Fassbender
Trainer Janne Andersson beobachtet das Training seiner Mannschaft. Foto: Ina Fassbender

Newspapers in German

Newspapers from Germany