Thüringische Landeszeitung (Jena)

Fanatische Johanna

Christian Schmidt erzählt Schillers „Jungfrau von Orleans“in düsteren Schlachten­gemälden – Eine grandiose Premiere in Gera

- VON ULRIKE MERKEL

GERA. Bedrohlich rotieren die aufgetürmt­en Möbel auf der Drehbühne. Rauch liegt über der dunklen Szenerie. Entfesselt kämpfen Soldaten. Wie Christian Schmidt die unheilvoll­e Stimmung des Krieges in Schillers „Jungfrau von Orleans“heraufbesc­hwört, lässt sich auf der Bühne kaum eindrucksv­oller darstellen. Am Freitagabe­nd erlebte seine Inszenieru­ng der Tragödie im Geraer Theater ihre Premiere.

Wir schreiben das Bühnenjahr 1429. Der französisc­he Thronfolge­r Karl VII. (Philipp Reinheimer), ein infantiler Jammerlapp­en, ist verzweifel­t. Die Engländer und das verbündete Burgund drängen seine Truppen immer weiter zurück. Es droht die Eroberung. Als Ausweg erscheint Karl zum Entsetzen seiner Getreuen nur der Rückzug. In diese Situation platzt die Kunde von einer Jungfrau, der es gelang, einen Sieg für Frankreich zu erringen.

Johanna von Orleans (Katerina Papandreou) stand schon von Beginn an im Bühnenvord­ergrund, die Arme ausgebreit­et, den Kopf leicht nach oben gerichtet, als würde sie Gottes Befehl, als Jungfrau das Vaterland zu retten, stetig in sich aufnehmen. Doch offenbar hat sie bei diesem Erweckungs­erlebnis ein bisschen viel göttlichen Fanatismus aufgesaugt. Denn die Geraer Johanna ist durchdrung­en von stählernem Kampfgeist. Ihre Sprache ist ein wütendes Pressen. Kaum ein Funke Menschlich­keit scheint mehr in ihr.

Die Franzosen um Karl freut’s, erstreitet Johanna doch Sieg um Sieg. Ihre Unschuld lässt sie jedoch auf dem Feld zurück, etwa als sie den walisische­n Soldaten Montgomery (Ioachim Zarculea) tötet. Als er fällt, tränkt er ihr reines weißes Kleid mit seinem Blut. Später erscheint er ihr als schwarzer Ritter – ebenso wie der gefallene englische Kriegsheld Talbot (Ouelgo Téné).

Den König verändert das plötzliche Kriegsglüc­k. Aus dem Weichling wird ein eitler Affe. Philipp Reinheimer überhöht seine Figur wunderbar komödianti­sch, stellt letztlich eine Art Prototyp eines unfähigen Regenten dar.

Die Leistung aller sieben Schauspiel­er beeindruck­t tief. Bis auf Johanna-Darsteller­in Papandreou spielt jeder mindestens zwei Rollen.

Katerina Papandreou überstrahl­t die gesamte Inszenieru­ng. Johannas Entschloss­enheit, Besessenhe­it und Verzweiflu­ng verkörpert sie mit jeder Faser ihres Leibes. Ihre permanente Präsenz ist ein wichtiges Element, aus dem Schmidts grandiose Inszenieru­ng ihre bedrückend­e Energie bezieht. Ein zweites ist das Bühnenbild, entworfen von Hannes Hartmann.

Es nutzt bildästhet­isch die komplette Tiefe des Raumes. Im Zentrum – auf der Drehbühne – steht ein Wall aus alten Möbeln, die dicht aufgeschic­htet sind. Es ist die Trennwand zwischen französisc­hem und englischem Lager. Während der Kämpfe kreist dieses Möbelmonst­rum durch den Raum. Längst kann man an diesem Abend nicht jede Intention des Regisseurs ausmachen. Längst lässt sich leider nicht jede Szene der krassen Strichfass­ung vollends entschlüss­eln.

• Weitere Vorstellun­gen: .., . Uhr; ..,  Uhr und ..,  Uhr.

 ?? Szene aus Schillers „Jungfrau von Orleans“mit Ouelgo Téné (La Hire), Katerina Papandreou (Johanna), Bruno Beeke (Erzbischof), Manuel Kressin (Du Chatel) und Philipp Reinheimer (Karl VII.). In der Altenburge­r Premiere im vergangene­n Jahr spielte noch Henni ??
Szene aus Schillers „Jungfrau von Orleans“mit Ouelgo Téné (La Hire), Katerina Papandreou (Johanna), Bruno Beeke (Erzbischof), Manuel Kressin (Du Chatel) und Philipp Reinheimer (Karl VII.). In der Altenburge­r Premiere im vergangene­n Jahr spielte noch Henni

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