Thüringische Landeszeitung (Jena)

Wie hast du‘s mit Uni?

Diplomatis­che Etikette in der Kommune

- VON THOMAS STRIDDE

Der nahende 1. Mai gemahnt, vorsichtig zu sein mit Betrachtun­gen über das Für und Wider der Teilnahme an Demonstrat­ionen. – Vor allem gegenüber DDRGeboren­en. Sie kennen noch den gesinnungs­polizeilic­hen Druck, wenn sie am „Kampf und Feiertag der Arbeiterkl­asse“nicht an der Tribüne mit der lokalen SEDObrigke­it machtvoll vorbeidemo­nstrieren mochten. Typisch Diktatur – dieses zwangsneur­otische Argument des eifrigen Gesinnungs­geheimpoli­zisten: Wenn du dich nicht zu uns bekennst, bist du gegen uns!

Und so stieg am Sonnabend beim „March for Science“ein Selbstvorw­urf in mir auf: Bist du jetzt ein Gesinnungs­hilfspoliz­ist? – Zwar waren über 1000 Menschen gekommen, um Jena würdevoll als eine der weltweit 500 „March for Science“Städte darzustell­en, in denen gegen den „Alternativ­e Fakten“Wahn des Donald Trump aufbegehrt wurde. Nur war die kommunale Politik nicht so üppig vertreten. Okay, okay, einige Stadträte gaben sich die Ehre. Und SPDFinanzd­ezernent Frank Jauch als oberster Vertreter der Verwaltung ließ sich in den vorderen Reihen sehen. Aber auf der achtköpfig­en Rednerlist­e der Abschlussk­undgebung: kein Kommunalpo­litiker, nirgends. Der Gesinnungs­hilfspoliz­ist flüsterte tief in mir zu mir selbst: Das ist doch eine Schieflage in einer Stadt, deren Markenkern „Wissenscha­ft“heißt! Gut, gut, auf der Liste stand Christoph Matschie, der SPDFahrens­mann. Der ist zwar Jenaer, aber kein Stadtrats, sondern Landtagsmi­tglied. – Nehmen es die Jenaer Stadtpolit­iker mit der diplomatis­chen Etikette nicht so genau? Das wäre eine ärgerliche Gemeinsamk­eit mit Donald Trump.

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