Thüringische Landeszeitung (Jena)
„Macht Frauen stärker“
Melinda Gates und ihr Mann Bill spenden jedes Jahr Milliarden. Was treibt die Managerin der mächtigsten Privatstiftung der Welt an?
BERLIN. Die laut Forbes-Liste viertmächtigste Frau der Welt hat einen freudigen Anlass für ihren Besuch in Berlin. Am Donnerstag wurde Melinda Gates (52) für ihr Engagement mit der Otto-Hahn-Friedensmedaille ausgezeichnet. Gemeinsam mit ihrem Mann, Microsoft-Gründer Bill Gates, steht sie an der Spitze der gleichnamigen Stiftung, die weltweit Armut und Krankheiten bekämpft. Über Entwicklungshilfe in der Ära Trump und Kindererziehung in der reichsten Familie der Welt sprach sie mit dieser Redaktion.
FrauGates,Siesindnichtzum ersten Mal in Deutschland. Welchen Eindruck haben Sie?
Melinda Gates:Was mich immer wieder beeindruckt, ist die Führungsstärke Deutschlands – vor allem in den vergangenen fünf, sechs Jahren. Deutschland ist eines der wenigen Länder, das seit letztem Jahr die Vorgabe erfüllt, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe auszugeben. Es ist mittlerweile der zweitgrößte Geldgeber weltweit.
Sie müssen also Deutschland nicht mehr überzeugen?
Das würde ich nicht sagen. Ein Großteil des deutschen Geldes geht in die Versorgung von Flüchtlingen. Das ist aufgrund der aktuellen Lage auch absolut vordringlich. Aber langfristig muss die Finanzhilfe nach Afrika fließen, wo politische Konflikte und Dürren infolge des Klimawandels große Not verursachen. Nur wenn die Menschen zu Hause in Frieden und Wohlstand leben, fliehen sie nicht mehr nach Europa.
USPräsident Donald Trump ist seit dem 20. Januar im Amt. Welche Auswirkungen hat die Präsidentschaft auf Ihre Stiftung?
Die Stiftung ist politisch neutral. Wir müssen mit den Führungen in den jeweiligen Ländern zusammenarbeiten. Präsident Trump hat allerdings gerade seinen Haushaltsplan für das Finanzjahr 2018 veröffentlicht. Der Entwurf hat mich tief beunruhigt. Trump will die Entwicklungshilfe in Höhe von insgesamt neun Milliarden Dollar pro Jahr um 28 Prozent kürzen, vor allem im Gesundheitsbereich. Das hätte weitreichende Konsequenzen für Frauen und Familien rund um die Welt. Sie würden in bittere Armut geworfen. Der einzige Hoffnungsschimmer besteht darin, dass der USKongress dem Budget-Plan des Präsidenten nicht zustimmt. Ich bin einigermaßen optimistisch, dass das so nicht durchgeht.
Was bedeutet das für die Arbeit Ihrer Stiftung?
Für etliche Vorhaben wäre dies ein Rückschlag. Einige Kliniken in Afrika könnten zum Beispiel ihre Malaria-Behandlung nicht mehr anbieten, andere müssten schließen.
Sie haben das große Ziel, die schlimmsten Krankheiten auszumerzen und die Armut zu beseitigen. Wie wollen Sie das erreichen?
Wir sehen uns da auf einer Linie mit den UN-Plänen für nachhaltige Entwicklung, die bis zum Jahr 2030 reichen. Mein Mann Bill und ich glauben an die positive Kraft von Innovationen. Über Mobiltelefone werden in Kenia, Bangladesch oder auf den Philippinen oft größere Summen bewegt als im normalen Bankensystem. Ein Mann, der in der Stadt einen Job findet, ist so in der Lage, Geld an seine Familie auf dem Land zu überweisen. Die Kinder können das Schulgeld bezahlen, für die gesundheitliche Versorgung sind mehr Mittel da. Unsere Stiftung versteht sich in diesem Sinne als Katalysator für Innovation.
Ihr Mann und Sie stecken sehr viel Geld in Ihre Stiftung. Was war der Auslöser hierfür?
Sowohl mein Mann als auch ich wuchsen in Familien auf, die daran glaubten, dass man etwas an die Gesellschaft zurückgeben muss. Diesen Gedanken brachten wir beide in unsere Ehe ein. Nach unserer Hochzeit fassten wir den Entschluss, dass ein Großteil der Erträge von Microsoft an die Welt zurückfließen sollte. Bill hätte nicht all das aufbauen können, wenn er in einer entfernten Ecke in Kenia oder Nordindien aufgewachsen wäre.
Eindruck, dass sich die Lage in den Entwicklungsländern großartig verbessert hat.
Die Situation ist besser geworden. Früher haben wir die Welt in „reiche“und „arme“Länder eingeteilt. Heute sprechen wir von Ländern mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen. Wir spüren vielerorts das Bestreben, ein Land mit mittlerem Einkommen zu werden. Ich war vor Kurzem in Äthiopien. Die Regierung dort investiert in Energie, Gesundheit und Landwirtschaft. Die Länder haben den Ehrgeiz, dem Modell der wirtschaftlich erfolgreichen Staaten in Südostasien zu folgen.
„Präsident Trump will die Entwicklungshilfe kürzen. Das hätte weitreichende Konsequenzen.“