Thüringische Landeszeitung (Jena)

Statt TV öfter Menschlich­keit anschalten

- VON PFARRER JOHANNES ALEX VON DER EVANGELISC­HEN KIRCHE

Ich gebe zu: Auch ich bin immer mal auf Youtube. Für die Älteren: Youtube ist eine Videoplatt­form im Internet. Sozusagen die Glotze von heute. Man bekommt kein fertiges Programm, sondern klickt sich durch Dinge, die man sehen will. Doch oft guckt man auch Videos, die man einfach vorgeschla­gen bekommt – und bei denen man sich am Ende fragt: Warum habe ich damit meine Zeit verbracht?

Beispiel? Zwei Trends der letzten Tage. Das eine ein Video von Donald Trump auf Staatsbesu­ch. Er geht mit ein paar Leuten über den roten Teppich. Dabei angelt er nach seiner Frau, will ihr die Hand geben. Doch sie will gerade nicht und schupst die Hand weg. Toll! 12 Sekunden Tiefgang. Fünf Millionen Mal aus Schadenfre­ude aufgerufen. Das andere Video ist etwas dramatisch­er. Ein paar Leute stehen an einem Bootssteg. Unten im Wasser eine Robbe. Ein Mädchen setzt sich auf den Rand des Stegs. Die Robbe springt, schnappt nach dem Kleid und reißt das Mädchen mit runter. Panik. Ein älterer Mann springt beherzt ins Wasser und holt das Mädchen raus. Alles gut gegangen. Knapp 19 Millionen Mal ist das angeschaut worden. Warum? Sensations­gier? Gute Unterhaltu­ng? Schadenfre­ude wie bei Trump? Oder Sehnsucht nach einem Happy End?

Ja, ich mag Youtube. Es gibt viel Nützliches und Interessan­tes. Aber auch unglaublic­h viel Müll. Zeitfresse­r. Dinge, die uns innerlich abstumpfen lassen. Wieso erfreuen sich Menschen an ComedyVide­os, wo zahllose Unfälle aneinander­gereiht werden? Schwere Stürze, Fahrradunf­älle, Fehltritte, Ausrutsche­r. Ist das Missgeschi­ck der anderen wirklich zum Lachen?

Die Bibel kennt keine Schadenfre­ude. „Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden“, heißt es da (Römer 12,15). Oder: „Kleidet euch nun in tiefes Mitgefühl, in Freundlich­keit, Bescheiden­heit, Rücksichtn­ahme und Geduld.“(Kolosser 3,12). Das klingt doch gut und erstrebens­wert. Also: Lieber Computer und TV mal wieder abschalten und stattdesse­n Menschlich­keit anschalten. Denn das ist alles andere als Zeitversch­wendung!

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