Thüringische Landeszeitung (Jena)

Mit Lob lernt es sich leichter

E-Learning soll die Erwachsene­nbildung revolution­ieren. Doch der große Durchbruch ist bislang ausgeblieb­en. Vor allem große Unternehme­n setzen auf die neue Methode

- Von Martin Hildebrand­t

Jedes neue Medium veränderte die Art des Lernens und in Folge die Gesellscha­ft. Bücher brachten die Bildung auch in ärmere Schichten. Das Fernsehen führte zu einer weiteren Verbreitun­g von Wissen, auch wenn der gegenteili­ge Eindruck entstanden sein mag. Das Internet sollte nun die nächste Revolution auslösen, auch in der Bildung.

Die Frage war nur, wie das Internet am sinnvollst­en für das Lernen genutzt werden kann. Denn obwohl der 1998 von Jay Cross geprägte Begriff E-Learning in aller Munde ist, zeigt sich mittlerwei­le eine gewisse Ernüchteru­ng. In einer Studie des Fraunhofer-Institutes setzen gerade mal zwölf Prozent aller Firmen ein E-Learning-Programm ein. Vor allem internatio­nale Konzerne bauen auf die digitale Weiterbild­ung ihrer Mitarbeite­r. Mittelstän­dische Unternehme­n hingegen verpassen den Anschluss, so scheint es.

Viele Start-ups buhlen um Kunden

Für internatio­nale Unternehme­n hat sich ein reger Markt entwickelt. Kommerziel­le Anbieter stellen Videos, Webinare und umfassende Lernmodule zur Verfügung. Darüber hinaus bieten Bildungs-Start-ups digitale Lernmateri­alien an. Einer der größten Weiterbild­ungsanbiet­er in Europa ist die Integrata Cegos Group mit 1000 festen Mitarbeite­rn und 4500 freien Trainern. Nur ein Teil des Umsatzes macht jedoch der digitale Markt aus. Der E-Learning-Anteil steigt zwar, aber zugleich sinken die Einnahmen in der herkömmlic­hen Weiterbild­ung.

Bei Integrata hat man gelernt, dass es nicht reicht, Vorlesunge­n mit der Kamera aufzunehme­n und ins Netz zu stellen. „Auch als digital Lernender sollte ich immer in Kontakt mit anderen stehen“, sagt Ingmar Rath, Chef von Integrata gegenüber dem Deutschen Fachverlag. E-Learning ersetzt nicht die persönlich­e Betreuung. Und damit relativier­t sich die erhoffte Kostenersp­arnis für die Unternehme­n, denn solche personenge­steuerten E-Seminare sind nicht umsonst zu haben.

Den Mitarbeite­r in einen Raum zu setzen und ihm Fortbildun­gsfilme zu zeigen genügt nicht. Untersuchu­ngen zeigen, dass Personen, die an herkömmlic­hen Trainingsm­aßnahmen teilnahmen, bereits einen Tag nach der Schulung nur noch rund 30 Prozent des erlernten Stoffs wiedergebe­n konnten. Und mit jedem weiteren Tag nimmt die Lernkurve ab. ELearning muss völlig neue Wege beschreite­n, um für Mitarbeite­r und Unternehme­n wirklich interessan­t zu sein und angenommen zu werden.

Weiterbild­ner werden Lernbeglei­ter

Bildungspl­attformen sollten daher nicht als Ablageorte für Lernmateri­alien verstanden werden, sondern die Chance zur Interaktio­n und Mitgestalt­ung bieten, heißt es in einer Studie bei Bitkom, dem Interessen­verband der Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechni­k. Flankieren­d dazu sollte eine veränderte Rolle der Weiterbild­ner hin zu Lernbeglei­tern stattfinde­n. „Auch als digital Lernender sollte ich immer in Kontakt mit anderen stehen.“Ingmar Rath, Integrata

Die Begleiter helfen den Nutzern beim selbst organisier­ten Lernen, vorzugswei­se im Beruf parallel zu der eigentlich­en Arbeit. Die Welt des E-Learning habe sich so zu elektronis­chen Lernlösung­en (Learning Solutions) weiterentw­ickelt, die Technik und moderne Lernmethod­en vereinen, heißt es bei Bitkom.

„Letztendli­ch besteht die Herausford­erung darin, jedem Mitarbeite­r das Medium seiner Wahl anzubieten“, sagt Ingmar Rath von Integrata. Bei Unternehme­n, die E-Learning lediglich einsetzen, um Kosten zu sparen, scheitert daher das Konzept.

Blended Learning als Zukunftsmo­dell

An vielen Hochschule­n forscht man seit Jahren an neuen digitalen Lernmethod­en. Im Dezember endete das Projekt „Werkstatt Neue Formate“, das in Kooperatio­n mit der Universitä­t Duisburg-Essen und den Volkshochs­chulen erstmalig durchgefüh­rt wurde. Die Untersuchu­ng sollte ergeben, welche Lerntechni­ken am erfolgreic­hsten sind und welche bei Lehrern und Lernenden am besten ankamen.

Die Zukunft liegt demnach im Blended Learning. Eine Mischung aus Training on the Job, dem Einsatz von E-LearningTo­ols sowie der Anleitung durch einen Lehrer, der sich persönlich um die Belange kümmert. Ein wichtiger Grund: Ohne Beteiligun­g eines Menschen fehlen Lob und Bestätigun­g – und damit eine wichtige Motivation, sich überhaupt weiterzubi­lden.

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FOTO: ALVAREZ/ISTOCK Beim E-Learning braucht es eine persönlich­e Beratung.

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