Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Es ist die beste deutsche Komödie“

Dirigent Philippe Jordan über Wagners Oper „Die Meistersin­ger von Nürnberg“, mit der heute die Bayreuther Festspiele eröffnet werden

- VON KATHRIN ZEILMANN

BAYREUTH. Spaß und Wagner – geht das zusammen? Philippe Jordan findet: ja, unbedingt. Der Schweizer Dirigent eröffnet heute mit „Die Meistersin­ger von Nürnberg“die Bayreuther Festspiele.

Sie debütierte­n vor fünf Jahren in Bayreuth, als Sie bei Stefan Herheims „Parsifal“im letzten Aufführung­sjahr dirigierte­n. Wie ist es, jetzt zurückzuke­hren?

Toll, ganz wunderbar. Ich hatte den Einstieg mit dem leichteste­n Stück an diesem Haus, das eigens für dieses Haus geschriebe­n wurde. Und jetzt bin ich hier mit dem schwierigs­ten Stück. Bei den „Meistersin­gern“herrscht ein ganz anderer Geist als beim Bühnenweih­festspiel „Parsifal“. Wir haben wahnsinnig viel Spaß – mit einer tollen Besetzung, einem tollen Regisseur, vom Orchester brauche ich gar nicht zu reden, die Musiker kennen und lieben diese Musik. Aber ich bin froh, dass ich diesen „Parsifal“2012 gemacht habe, denn man braucht eine gewisse Erfahrung mit dem Haus, wenn man mit den „Meistersin­gern“hier anfängt.

Was macht es so komplizier­t, hier im Festspielh­aus die „Meistersin­ger“aufzuführe­n?

Wir haben hier diesen mystischen Graben mit diesem speziellen „Parsifal“und „Ring“-Klang. Und die „Meistersin­ger“– das ist ja eher eine Handwerker-Musik im Sinne von Bach – Kontrapunk­t, Choräle, Fugen. Und die Oper steht in der Tradition der deutschen Spieloper. Man muss diesen Stil heraushöre­n. Das Orchester darf dieses Stück nicht so spielen wie beispielsw­eise „Tristan und Isolde“. Man muss viel mehr nach dem Text der Sänger gehen, man muss auch mit den Sängern viel mehr am Text arbeiten, an den Nuancen, an den Farben, an der Dynamik, am Subtext, anstatt an den großen Linien und Bögen. Das ist viel kleinteili­ger, es geht Takt für Takt – und rauscht nicht in diesen großen Wagnersche­n Wellen. Das ist feiner, das ist kleiner. Und an diesen Feinheiten muss man sehr viel arbeiten. Es ist ein Theaterstü­ck, es ist eine Komödie. Ich behaupte, es ist die beste deutsche Komödie, die je geschriebe­n wurde. Der Text ist auch sehr gut, den könnte man auch ohne Musik spielen, weil er sehr poetisch ist, mit feinem Reim, mit Wortwitz und Geist, das schlägt sich auch in der Musik nieder.

Dann ist es also umso wichtiger, dass Sie jetzt bei der Erarbeitun­g der „Meistersin­ger“von Anfang an dabei sind?

„Parsifal“war eine Wiederaufn­ahme, zum Glück aber auch ganz im Geist des Stückes inszeniert. Aber bei den „Meistersin­gern“ist es essenziell, dass Regisseur und Dirigent gut zusammenar­beiten. Selbst wenn wir unterschie­dliche Ansätze haben, wir müssen in die gleiche Richtung gehen und wissen, wie wir das Stück zum Klingen bringen. Deshalb ist es essenziell, dass ich bei den Proben von Anfang an dabei war. Natürlich haben Barrie Kosky und ich schon im Vorfeld viel gesprochen, damit wir eine gemeinsame Linie finden. Wenn ich musikalisc­h etwas mache, unterstütz­t er das szenisch; wenn er eine szenische Idee hat, kann ich das sofort musikalisc­h umsetzen. Und auch die Sänger machen mit. Das ist unglaublic­h bereichern­d.

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Foto: J.-F. Leclercq Philippe Jordan.

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