Thüringische Landeszeitung (Jena)
Nach der Tour-Enttäuschung hofft Degenkolb auf WM-Überraschung
Geraer Radprofi beim wichtigsten Radrennen erneut ohne Etappensieg. Im August zum zweiten Mal Vaterfreuden
GERA. Das Bild gleicht sich Jahr für Jahr bei der Tour de France. John Degenkolb rollt frustriert zum Teambus, verschwindet erst einmal, um die Emotionen ein wenig zu bändigen – und muss dann eine neuerliche Enttäuschung erklären. „Ich hätte gern gewonnen, ich glaube auch, dass ich das Zeug dazu gehabt hätte“, sagte der Thüringer zum Beispiel in Romans-sur-Isère, als ihm wieder einmal die Chance auf seinen ersten Etappensieg beim wichtigsten Radrennen durch die Finger geglitten war.
Degenkolb ist bereits zum fünften Mal bei der FrankreichRundfahrt am Start, wie immer mit der Hoffnung, dass ihm das Glück diesmal hold ist. Sechsmal war der 28-Jährige schon Zweiter einer Tour-Etappe, seit dem dritten Platz auf dem 18. Abschnitt kommen noch sieben weitere Top-Fünf-Ergebnisse hinzu. Noch nie gab es diesen einen Tag oder diese eine Tour, wo alles für Degenkolb stimmte. Dabei hat er 2015 die Frühjahrsrennen Mailand–Sanremo und Paris–Roubaix gewonnen, neun Etappen bei der Vuelta in Spanien, eine beim Giro d‘Italia. Nur das wichtigste aller Radrennen mag ihn irgendwie nicht.
TVQuoten um zehn Prozent gestiegen
Dabei ist es durchaus bemerkenswert, dass er bis zum Schluss in Paris durchhielt. Dazu muss man sich nur die Bilder von der vierten Etappe in Erinnerung rufen, als Degenkolb über den Briten Mark Cavendish flog und hart auf dem Rücken landete. „Ich habe durch den Sturz sicher etwas verloren“, sagte er. Vor allem seine Schulter war lädiert.
Degenkolb ist im Team TrekSegafredo nicht der eine Kapitän, um den sich alles dreht. Er hat – für ihn ungewöhnlich – Aufgaben eines Wasserträgers. „Ich muss auch viel arbeiten, Alberto Contador in den Bergen unterstützen, Flaschen holen, das kostet auch Kraft, aber ist nicht zu ändern“, berichtete er.
Was herausragende Leistungen wie etwa die fünf Etappensiege des Arnstädters Marcel Kittel bewirken können, zeigen die TV-Quoten, die im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn Prozent gestiegen sind. Die Übertragungen von der wichtigsten Radsport-Rundfahrt der Welt sahen bei der ARD im Durchschnitt 1,34 Millionen Menschen. Das ergab einen Marktanteil von 10,8 Prozent. „Gestiegenes Interesse bei den TV-Zuschauern, das ist das Beste, was uns passieren konnte und ist auch ein Beweis für gestiegene Glaubwürdigkeit des Radsports an sich“, sagte Degenkolb.
Und bei allem Gram über die Liaison zur Tour: Anfang August wird Degenkolb zum zweiten Mal Vater. Spätestens dann ist der Ärger null und nichtig. Und im September wartet in Norwegen noch ein WM-Kurs, der ihm liegen soll. (sid)