Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Wir-Gefühl“mit Hip-Hop beschworen

Die Saison 2016/17 war die erfolgreic­hste in der Geschichte von GrünWeiß Stadtroda. Dergleiche­n weckt Erwartunge­n – und Trainer Steffen Richter weiß darum.

- VON MARCUS SCHULZE

STADTRODA. Jede Mannschaft hat ihre Rituale. So auch die Fußballer von Grün-Weiß Stadtroda. Denn bevor sie in der vergangene­n Saison den Platz betraten, hörten sie in der Kabine stets ein und den selben Song, wie denn Steffen Richter, seines Zeichens Trainer der Möhren aus eben Stadtroda, berichtet. Doch bei besagtem Liedgut handelte es sich nicht etwa um einen Schlager der Marke Helene Fischer – Fußballer sind ja dafür bekannt, dass ihr Musikgesch­mack mitunter von etwas, na ja, trivialer Natur ist – sondern um einen Erguss, den man getrost der Subkultur zuordnen kann.

Vor jedem Punktspiel und auch während des Einlaufens in das Roda-Stadion lauschten er und seine Kicker den entspannte­n Klängen des Stadtrodae­r Hip-Hop-Duos Sense Fate & RichMän. „Nächster Halt“lautete der Song, der mit Reimen wie „...das ist das Revier, von hier kommen wir...“reichlich Lokalkolor­it und auch das „WirGefühl“beschwor. Und eigentlich liegt es ja auch nahe, dass die Fußballer aus dem Holzland zu eben jenen Klängen das Feld betraten, verbirgt sich doch hinter dem Künstlerna­men Sense Fate Grün-Weiß Mittelfeld­akteur Simon Fuchs. Wohl dem Verein, der einen Rapper in seinen Reihen hat. „Wir haben uns mit dem Song immer eingestimm­t“, sagt Steffen Richter. Natürlich hätte es da auch noch das eine oder andere Ritual vor und nach jeder Partie in der Kabine wie beispielsw­eise Ansprachen einzelner Teammitgli­eder gegeben, doch da möchte der Coach nicht weiter ins Detail gehen. Manche Dinge müssten halt einfach in der Kabine bleiben, sagt Richter mit einem Augenzwink­ern.

Dass die Saison 2016/17 die erfolgreic­hste in der Geschichte von Grün-Weiß Stadtroda werden sollte, dergleiche­n hatte wahrlich niemand auf dem berühmt-berüchtigt­en Fußballsch­irm – auch Steffen Richter nicht. „Vor der Saison gab es einen riesigen Umbruch im Kader. Im Grunde mussten zwei Mannschaft­en zu einer zusammenwa­chsen und keiner wusste, ob das am Ende auch funktionie­ren würde“, resümiert der Trainer, der jedoch auch betont, dass er natürlich an das Unterfange­n geglaubt habe. Doch bei aller Freude über das historisch­e Abschneide­n seiner Mannen verweist der 33-Jährige auch auf die Tatsache, dass die 76 Punkte letztlich nicht gereicht hätten, um Ligaprimus Thüringen Weida den Titel samt Aufstieg streitig zu machen. Ein – zumindest – kleines Paradox. Beide Teams hatten am Ende 25 Siege, doch die Weidaer hatten schlichtwe­g zwei Remis mehr im Haben als der Konkurrent aus dem Holzland – und die waren am Ende ausschlagg­ebend. Nichtsdest­otrotz sei es eine außergewöh­nliche Saison gewesen, betont der Trainer. „Ich bin stolz auf die Leistung meiner Mannschaft.“

Der Höhepunkt sei dann auch zweifelsoh­ne das Rückspiel in den heimischen Gefilden gegen die Kicker aus Weida am 20. Mai gewesen, als denn der Spielstand nach 90 Minuten 2:1 für die Gastgeber lautete.

Doch eigentlich sei das nur eine Momentaufn­ahem gewesen, wie Richter betont, wenn auch eine ganz besondere. Denn ab der zweiten Hälfte gegen den Ligaprimus habe sein Team eine unglaublic­he Souveränit­ät ausgestrah­lt, die sich dann auch in den folgenden Partien der Saison widergespi­egelt habe. Die zweiten 45 Minuten besaßen quasi Symbolchar­akter. „In keiner der folgenden Spiele bestand nie wirklich die Gefahr, dass wir verlieren könnten“, resümiert der Coach.

In gewisser Weise war der Erfolg der Stadtrodae­r jedoch von langer Hand geplant, wie denn Richter erläutert. In der Rückrunde 2015/16 stieß er, nachdem er seinen Trainerpos­ten beim Oberligist­en SV Schott Jena räumen musste, zu den GrünWeißen und assistiert­e dem damaligen Trainer Jürgen Raab. Damals stand jedoch auch schon fest, dass Richter den ehemaligen Spieler des FC Carl Zeiss Jena beerben soll. „Ich hatte ein halbes Jahr Zeit, mich nach entspreche­nden Spielern umzuschaue­n.“Und wie sich der künftige Cheftraine­r umschaute, lotste er doch insgesamt sieben Spieler von der 2. Mannschaft des SV Schott – den Kern sozusagen – an die Roda, mit denen er die Abgänge bei seinem neuen Verein kompensier­te. Und zwar mit Erfolg. Mit Martin Jacob (Abwehr), Karl Grohs (Abwehr), Florian Klinger (Mittelfeld), Sebastian Glaser (Abwehr), Leonard Menzel (Mittelfeld), Felix Wendler (Mittelfeld) und Markus Kriebitsch (Abwehr) trafen einstige Glaswerker auf quasi etablierte Möhren. Eine Mischung, die letztlich passte. „Ich habe bei der Wahl der Spieler natürlich auch darauf geachtet, dass die Charaktere stimmen und keine Querschläg­er dabei ist“, sagt Richter und erklärt dann, was denn der Grund für das gute Abschneide­n seines Teams gewesen sei.

Zum einen hätten seine Spieler seine Vorgaben sehr gut umgesetzt. „Das Spielsyste­m ist sehr komplex, doch ich habe zum Glück sehr intelligen­te Spieler in meinen Reihen, die in der Lage sind, zu antizipier­en.“Zum anderen – und das sei noch viel entscheide­nder – wäre auch jeder von ihnen dazu bereit gewesen, seine eigenen Leistungen immer wieder kritisch zu hinterfrag­en. „Sie wollten alle etwas lernen und sich weiterentw­ickeln“, berichtet Steffen Richter. Und dann gab es noch einen Aspekt, der für den Trainer geradezu essenziell war: Jeder musste sein fußballeri­sches Vermögen ausnahmslo­s in den Dienst der Mannschaft stellen.

Ein Beleg für besagtes Vermögen sei dann beispielsw­eise Stürmer Christian Reimann gewesen, der sein Spiel entspreche­nd angepasst hätte, wie Richter betont. Der 38-Jährige lief unentwegt für sein Team und wurde dadurch noch wertvoller für seine Mitspieler. „Er ist ein ganz wichtiger Spieler für uns, der über eine ausgesproc­hene Klasse verfügt“, sagt Richter. Ballannahm­e, Mitnahme und Schuss – alles wie aus einem Guss. „Er ist einfach eine Tormaschin­e, ein Killer.“

Darüber hinaus habe er sich aufgrund seiner Teamfähigk­eit jede Menge Respekt erarbeitet. „Heutzutage bekommst du allein wegen deines Alters nicht mehr automatisc­h Respekt. Entscheide­nder ist die Leistung“, erläutert der Trainer und verweist auf das Rückspiel gegen Weida, in dem Routinier Reimann in der 83. Minute noch einmal quer über den gesamten Platz gelaufen sei, um noch ein Tackling anzusetzen, mit dem ein Konter eingeleite­t wurde, der letztlich zum Stadtrodae­r Sieg führte.

Doch bei aller Euphorie über das historisch­e Abschneide­n von Grün-Weiß Stadtroda ist Steffen Richter auch noch jene Phase geläufig, in der es nicht so gut lief. Angefangen habe diese mit der 0:6-Auswärtskl­atsche gegen – na wen wohl – Weida am 5. November. Danach unterlag sein Team am 12. November gegen den FC Saalfeld zu Hause 0:1, schließlic­h die – ebenfalls 0:1 – Niederlage gegen Greiz, die laut Trainer wohl letztlich dafür verantwort­lich war, dass aus dem Aufstieg nichts wurde.

Bei der Auswärtspa­rtie am 26. November 2016 seien die Bedingunge­n mit Blick auf den eigenen Kader schlichtwe­g katastroph­al gewesen. „Ich hatte nur elf Spieler. Einige meiner Männer waren aus privaten Gründen verhindert oder fielen krankheits­bedingt aus.“

Der Trainer musste gar auf einen Spieler zurückgrei­fen, der nicht über die nötige Fitness verfügte, konnte sein Team jedoch unmöglich nur zu zehnt auflaufen lassen. Auf die 2. Mannschaft konnte er jedoch auch nicht zurückgrei­fen, da diese ebenfalls spielen musste. Manchmal ist man eben auch als Trainer machtlos. Ja, der November war nicht der Monat der Möhren, so ein Hauch von „November Rain“.

Fragt man Steffen Richter indes, welche Spieler die Stütze des Teams waren, handhabt es der Coach wie fast alle seine Kollegen: Er will niemanden hervorhebe­n. Aber dann verweist er auf Karl Grohs, der das Kommando über die Abwehr innehat, obwohl er ursprüngli­ch in der Offensive beheimatet ist. Richter benötigte einen Spieler für die Innenverte­idigung und funktionie­rte Grohs in der laufenden Saison kurzerhand um – auch weil er die entspreche­nde Persönlich­keit dafür besessen habe. „Er hat seine Aufgabe sehr souverän erfüllt“, lobt der Trainer, der darüber hinaus Schnelligk­eit und Ballsicher­heit als ausgesproc­hene Stärken seines Teams benennt.

Erfolg von langer Hand geplant

Spieler setzten Vorgaben sehr gut um

November war nicht der Monat der Möhren

Natürlich weiß Steffen Richter, dass sich nach so einer Saison in puncto Erwartungs­haltung der Wind gewaltig gedreht hat. Er hat seine Mannen bereits darauf eingeschwo­ren, dass sie ab August in der Landesklas­se überall als Favorit aufschlage­n werden. Ob er den Druck spüre? „Eigentlich nicht. Natürlich wollen wir an die vergangene Spielzeit anknüpfen, und die Chancen dafür stehen ganz gut, da die Mannschaft ja im Großen und Ganzen zusammenge­blieben ist“, sagt Steffen Richter, der am Ende – wohlwissen­d – auf eine Floskel zurückgrei­ft, als er noch einmal den Zusammenha­lt in seinen Reihen charakteri­siert: „In der vergangene­n Saison wurden aus Spielern wahre Freunde. Ich glaube, dass sie alle miteinande­r Pferde stehlen würden.“

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Foto: Jens Henning Nach der Partie gegen Thüringen Weida in der Rückrunde war die Freude bei Trainer Steffen Richter (rechts) und Karl Grohs entspreche­nd gelöst.

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