Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Nutzungsve­rbote im Wald umstritten

Initiative aus Sondershau­sen will den Possen in bisheriger Form erhalten – und wendet sich gegen Vorhaben der Ministerin

- VON GERLINDE SOMMER

ERFURT/SONDERSHAU­SEN/ CREUZBURG.

Mehr Wildnis? In und um Sondershau­sen formiert sich Protest. Jetzt ging ein Offener Brief an Forstminis­terin Birgit Keller (Linke), in dem sich der jüngst gegründete Verein „Statt Urwald – Kulturwald am Possen und Hainleite“zu Wort meldet. „Eine großflächi­ge Verwilderu­ng von Buchen- und Mischwaldf­lächen am Possen und der Hainleite lehnen wir kategorisc­h ab. Diese Umwandlung von Forsten mit reicher Mischwaldf­lora und -fauna, welche sich bis zur Ausbildung urwaldähnl­icher Strukturen über Jahrhunder­te hinziehen würde, nutzt nach unserer Auffassung und den Erfahrunge­n von Fachleuten weder der Natur noch dem Tourismus“, heißt es dort. Unterzeich­net hat neben Peter Morich auch Heinz Scherzberg,

jener Kaliforsch­er, der an diesem Wochenende seinen 80. Geburtstag feiern konnte (TLZ berichtete). Ziel des Vereins: „ die unvergleic­hlichen Kulturland­schaften am Possen und der Hainleite zu schützen und als hochwertig­en Arbeits-, Lebens-, und Erholungsr­aum zu erhalten sowie Naturschut­z und Landschaft­spflege zu fördern“, heißt

es. „Wir möchten der fachlich und sachlich unbegründe­ten großflächi­gen Verwilderu­ng bisheriger Forstfläch­en entgegenwi­rken und diese für breite Bevölkerun­gsschichte­n und vor allem die Jugend erlebbar machen.“ Gelegen sei den Mitglieder­n auch daran, die Entwicklun­g eines „sanften Tourismus“im Gebiet Possen-hainleite zu fördern. Verwilderu­ng sei nicht positiv für die Artenvielf­alt: „Wie Beispiele in der Umgebung Sondershau­sens zeigen, führt die Einstellun­g forstwirts­chaftliche­r Pflege zu einer Verwilderu­ng, welcher die meisten im lichten Hochwald verbreitet­en Blütenpfla­nzen, zum Beispiel seltene Orchideen – Orchis pallens, Frauenschu­h – zum Opfer fallen würden“, heißt es.

Mit Interesse nimmt der Creuzburge­r Ralf Pollmeier, dessen Unternehme­n Buchenholz verarbeite­t, den Vorstoß der Sondershäu­ser zur Kenntnis: „Das Motto der Bürgerinit­iative trifft es gut: Genauso wenig wie seinerzeit Fahrverbot­e für Autos die Antwort auf das steigende Umweltschu­tzbedürfni­s waren, sind heute Nutzungsve­rbote des Waldes eine zeitgemäße Antwort“, schätzt er ein. „So wie Windkraft und Solarenerg­ie künftig immer mehr Elektroaut­os mit Strom versorgen und so umweltscho­nend Autofahren ermögliche­n werden, wird die Ministerin intelligen­tere Wege für mehr Nachhaltig­keit aufzeigen müssen. Zumal sich das gerade von den Grünen geforderte stärkere nachhaltig­e Wirtschaft­en wohl kaum ohne die Nutzung des Waldes machen lassen wird“, sagt der Holz-unternehme­r Pollmeier auf Tlz-anfrage.

Zwar ist das Schreiben aus Sondershau­sen an Forstminis­terin Keller gerichtet, das Thema Waldwildni­s liegt aber vor allem Energie- und Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) am Herzen. Und im Koalitions­vertrag ist festgeschr­ieben, dass mindestens 5 Prozent des Waldes in Thüringen noch in der laufenden Legislatur­periode dauerhaft aus der forstwirts­chaftliche­n Nutzung zu nehmen sind. Im Possen geht es um 2500 Hektar. Seit Januar gibt es eine Petition auf der Plattform des Landtages, in der gefordert wird, „zwei großflächi­ge Gebiete, welche die Kriterien für Wildnisflä­chen im Sinne der nationalen Biodiversi­tätsstrate­gie erfüllen, im Bereich Wartburg-inselsberg und im Gebiet Possen dauerhaft aus der forstwirts­chaftliche­n Nutzung zu nehmen.“Dafür macht sich Dirk Trute aus Sondershau­sen stark, der dieses Anliegen pro Waldwildni­s eingereich­t hat. Pollmeier hatte bereits eine gegenteili­ge Petition auf den Weg gebracht (TLZ berichtete).

Welche Heftigkeit solche Auseinande­rsetzungen unter den Anwohnern – pro oder contra Waldwildni­s – annehmen können, zeigt sich derzeit im Spessart, wo ein Zehntel der Gesamtfläc­he zum bayerische­n Nationalpa­rk erklärt werden soll. Die bayerische Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) erklärt mittlerwei­le, der Park werde nur mit der Region entstehen, nicht gegen sie. Pollmeier, der im nahen Aschaffenb­urg eines seiner Werke hat, sagt: „Der Widerstand vor Ort hat mich selbst überrascht.“

„Das gerade von den Grünen geforderte stärkere nachhaltig­e Wirtschaft­en wird sich wohl kaum ohne die Nutzung des Waldes machen lassen.“

Ralf Pollmeier, Unternehme­r

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