Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Zivilgesel­lschaft soll im Kampf gegen Rechts gestärkt werden

GrüneAbgeo­rdnete Madeleine Henfling bemängelt, dass Engagierte zu wenig Unterstütz­ung erfahren

- VON FABIAN KLAUS

Madeleine Henfling (Grüne) schaute kurz einigermaß­en betroffen. Denn die Schilderun­gen, die sie dieser Tage auf ihrer Demokratie-Tour durch Thüringen hörte, lassen nur erahnen, wie groß die Probleme sind, die Menschen in vielen Orten mit Rechtsextr­emisten haben. Mit Neonazis, die im Ort leben, mit Rechtsrock­veranstalt­ungen, zu denen teils erheblich gewaltbere­ite Nazis aus der ganzen Republik anreisen, oder eben mit den sintflutar­tig organisier­ten Demonstrat­ionen.

Madeleine Henfling (Grüne), Landtagsab­geordnete

Alltagsras­sismus aber ist ein Problem, dass überall geschilder­t wird. Zuletzt hatte die Opferberat­ung Ezra wieder Zahlen veröffentl­icht, nach denen diese Fälle in Thüringen wieder zunehmen. Ein konkreter Fall, den die Landtagsab­geordnete, die in ihrer Fraktion Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextr­emismus ist, auf ihrer Tour hörte: In Kahla habe es bereits Polizeiein­sätze gegeben, weil Kinder ihre Mitschüler rassistisc­h beschimpfe­n und Lehrer es nicht geschafft haben, ohne die Autorität eines Uniformier­ten, derartige Auseinande­rsetzungen zu schlichten. Kahla gilt als rechtsextr­eme Hochburg in Thüringen – als ein Ort, in dem die Menschen den Diskurs aus Angst meiden, wo Kommunalpo­litiker nahezu ohnmächtig zusehen, wie sich Neonazis, die hier einige Immobilien besitzen, mit ihren menschenve­rachtenden Haltungen breit machen.

Dass den gegen Rechtsextr­eme engagierte­n Menschen die Unterstütz­ung bei ihrem Einsatz fehlt, das ist ein Punkt, den Madeleine Henfling aus vielen persönlich­en Gesprächen der vergangene­n Tage mitgenomme­n hat. Sie kritisiert Kommunalpo­litiker und Behörden gleicherma­ßen und nennt neben Kahla auch den Landkreis Eichsfeld, die Stadt Hildburgha­usen und Gera als Orte, in denen die gegen Neonazis aufstehend­en Menschen kaum Unterstütz­ung erführen. „Dort schaffen es die politisch Verantwort­lichen nicht, Engagierte zu unterstütz­en“, kritisiert sie.

Henfling weist deutlich darauf hin, dass aus ihrer Sicht die „Expertise der Zivilgesel­lschaft“viel häufiger Gehör finden müsse. Denn diese sei verlässlic­h. Wenn aus der Zivilgesel­lschaft heraus Erkenntnis­se darüber formuliert würden, wie viele Neonazis bei Konzertver­anstaltung­en zu erwarten seien, dann allerdings würden sich Behörden damit herausrede­n, zu sagen, sie bräuchten derlei Zahlen

„Wer Probleme lösen will, der muss sie auch erkennen. Bei politisch Verantwort­lichen kann ich Angstkultu­r nicht nachvollzi­ehen.“

von offizielle­r Stelle. Wie schnell das schief gehen kann, hat sich im vergangene­n Jahr auf negative Weise eindrucksv­oll in Hildburgha­usen gezeigt, wo 200 Polizeibea­mte 3500 Nazis gegenüber standen, weil der Informatio­nsfluss zwischen Nachrichte­ndiensten, Polizei und Ordnungsam­t offensicht­lich nicht funktionie­rt hatte.

Ähnlich große Veranstalt­ungen erwartet die Abgeordnet­e auch in diesem Jahr. Für Gera bewirbt der „III. Weg“beispielsw­eise für den 1. Mai eine Veranstalt­ung zum „Arbeiterka­mpftag“ und am 1. Juli soll es die Neuauflage des rechtsextr­emen Musikfesti­vals „Rock für Deutschlan­d“geben. In Gera, sagt Madeleine Henfling, anerkennen­d, gebe es eine breite Mobilisier­ung gegen diese Veranstalt­ungen „trotz widriger Umstände“, wie sie es nennt und bezieht sich auf eine Mauertakti­k im Bezug auf derlei Festivals, die bei Ordnungsäm­tern spürbar sei. Sie verstehe nicht, warum man mit Engagierte­n so umgehe und sie in manchen Regionen sogar als Störer deklariere. Es könne nicht sein, meint sie im TLZ-Gespräch, dass Demonstran­ten abhängig davon seien, wer gerade in der Ordnungsbe­hörde und bei der Polizei ihr Gegenüber sei. Beispiele kennt hat sie auf der Tour durch Thüringen mehrfach gehört. Ein Vergleich: Während beim NPDEichsfe­ldtag im vergangene­n Jahr Journalist­en daran gehindert wurden, ihrer Arbeit nachzugehe­n und die Polizei dafür eine gerichtlic­he Klatsche einsteckte, gab es mit Berichters­tattungen über ähnliche Events in Jena bisher keine derartigen Probleme mit der Polizei.

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Kein Ort für Nazis: Madeleine Henfling (li.) hängt  gemeinsam unter anderem mit der damaligen Sozialmini­sterin und heutigen Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD/.v.l.) Plakate in Kirchheim auf, die sich gegen den seinerzeit stattfinde­nden...

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