Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Die Reservierung: nicht sinnlich, aber sinnvoll
Wenn ich einen Abend im Restaurant meiner Träume plane, beginnt das schon Wochen vorher. Warum? Die Hohepriester in ihren kulinarischen Tempeln sind nämlich immer ausgebucht. Spontan mal hereinzuschneien, funktioniert vielleicht in einem von 50 Versuchen. Das ist auch gut so, denn die Vorfreude steigert die Spannung und den Appetit auf das, was da kommt.
Der Akt der Reservierung selbst ist leider oft nicht so sinnlich. Man muss heutzutage mehr von sich preisgeben, als man der neuen Angebeteten anvertrauen würde: Name, Telefonnummer (die richtige!), Anlass, Allergien, ja selbst die Kreditkartennummer manchmal …
Aber warum dieses Entblößen im Vorfeld? Positiv: Wir an der kulinarischen Front können uns so auf jede Vorliebe einstellen und Ihnen, wenn Sie es wollen, den perfekten Abend bereiten – mit allem Brimborium. Oder Sie in Ruhe lassen, damit Sie mit der Liebsten turteln oder den nächsten Deal abwickeln können, ob mit oder ohne Laktose und Gluten. Negativ: Ein Restaurant mit kochender Handarbeit und individuellem Service verfügt nur über wenige Plätze. Ein frei bleibender Tisch ist dann, gelinde gesagt: doof, da unwirtschaftlich – und stört das Yin und Yang im Laden. Nun vergessen es aber manche der lieben Gäste, dass sie lange im Voraus einen Tisch reserviert hatten. Dass etwas dazwischen kommt, passiert. Oder man hat keinen Hunger. Hier hilft die Preisgabe der persönlichen Geheimnisse beim Erinnern, sodass man selbst zum Hörer greift und storniert. Wer zahlt schon gern eine Stornogebühr, denn mit der Reservierung ist man einen Vertrag eingegangen. Bei rechtzeitiger Absage braucht man sich nicht über unnötige Ausgaben ärgern und vielleicht hat dann auch mal der spontane Restaurantbesucher eine Chance – die eine von 50 ...