Trierischer Volksfreund

Der letzte Mönch von Himmerod wird 90

Bruder Stephan ist ohne Orden im Kloster Himmerod geblieben. Er sorgt dafür, dass das geistliche Leben dort weitergeht. Das will er auch tun, wenn dort nun ein Gästehaus entsteht.

- VON BIRGIT REICHERT Produktion dieser Seite: Heribert Waschbüsch

(dpa) Für Bruder Stephan ist es der richtige Ort. Auch gut sechs Jahre nach dem Weggang des Zisterzien­ser-Ordens ist Kloster Himmerod sein Leben. Hier wohnt er, hier betet er, hier wirkt er. Seit nunmehr 66 Jahren. Als zuletzt verblieben­er Mönch. „Ich bin noch Zisterzien­ser. Ich bin sozusagen ein Sonderfall“, sagt er in seinem schwarz-weißen Habit in der Klosterher­berge. „Eigentlich müsste ich in der Gemeinscha­ft leben. Aber ich habe so viele Aufgaben hier, dass ich nicht gehen kann und nicht gehen will“, sagt Pater Stephan Senge, der am 29. März 90 Jahre alt wird.

Ihm liegt besonders am Herzen, dass das Kloster auch künftig „ein geistliche­r Ort“bleibt. In der Abtei Himmerod, die 1134 von Bernhard von Clairvaux gegründet worden sei, hätten nicht nur die Mönche fast 800 Jahre gelebt. Es sei auch ein Ort der Gastfreund­schaft, der Menschen anziehe - viele kämen immer wieder. Zu Gesprächen, zur Einkehr. Bruder Stephan begleitet sie bei mehreren Andachten täglich in der Kapelle, bei Gottesdien­sten oder beim Plausch auf dem Gelände zwischen Pforte, Garten und Kirche.

Nun zeichnet sich eine neue langfristi­ge Nachnutzun­g für das ehemalige Zisterzien­ser-Kloster ab. Das frühere Konventsge­bäude soll nach dem Willen des Trägervere­ins künftig ein Gästehaus werden. „Das Konzept heißt „Zu Gast im Kloster““, sagt der Rektor der Abteikirch­e, Reinhold Bohlen. Dazu müssten die Zimmer aber zunächst „auf modernen Standard“gebracht werden. „Das ist schon in diesem Haus eine Herkulesau­fgabe.“Bohlen schätzt, dass es 10 bis 15 Millionen Euro brauche, um „das Haus zu ertüchtige­n“.

Kooperatio­nspartner soll laut Bistum Trier ein in Pforzheim lebender Unternehme­r werden, der bereits mehrere ehemalige Klöster zu Gästehäuse­rn umgewandel­t habe. Die Bandbreite solle „von schlichten

Zimmern für Jugendgrup­pen bis zu Drei-Sterne-Zimmern“reichen. Gut für Tagungen, für Wanderer auf dem Eifelsteig oder für Pilgergrup­pen zum Grab des Apostels Matthias nach Trier. Die Entscheidu­ng über die Pläne soll voraussich­tlich im April fallen.

Und daneben gebe es auch die Möglichkei­t, dass sich eine kleine Ordensgeme­inschaft in Himmerod ansiedele, die sich dann nicht um Verwaltung und Finanzieru­ng kümmern müsste, sagt Bohlen. Und diese Gemeinscha­ft, ob von Männern oder Frauen, könnte auch seelsorgli­che Aufgaben wahrnehmen, was zum Erhalt als geistliche­m Ort beitrage.

Bruder Stephan, für viele „das Gesicht von Himmerod“, möchte zu den Plänen nichts sagen. „Wie die

Zukunft aussehen könnte, weiß ich nicht. Ich weiß nur, ich versuche, hier im Erbe der Mönche zu leben und zu arbeiten“, sagt der gebürtige Hannoveran­er. Und: „Ich bleibe auf jeden Fall hier am Ort.“Der Konvent war im Oktober 2017 wegen Personalma­ngels und angespannt­er Finanzen aufgelöst worden.

Gesundheit­lich gehe es ihm gut. „Dafür kann man nur dankbar sein.“Immer noch gehe er auch gerne bei kühlen Temperatur­en in Teiche im Wald. „Ich schwimme bisschen herum, ein, zwei Minuten, das reicht.“Handtücher brauche er nicht, er lasse sich von der Luft trocknen. Vor Kurzem habe er auch „im Schnee“gebadet. „Gott schenkt einem Zeit. Und dann hat man gefälligst etwas zu tun dafür“, sagt er mit einem verschmitz­ten Lachen.

Auch mit fast 90 Jahren hat der Mönch einen vollen Terminkale­nder. Er hält Vorträge, besucht Gemeinden und setzt sich seit mehr als 25 Jahren über die „Initiative Pater Stephan“für Schulen, Jugendlich­e und Gemeinden im Sudan und Südsudan ein. Jeden November reist er drei Wochen vor Ort. In Deutschlan­d werbe er um Schulen, die mit Schulen im Sudan in Verbindung treten. Bisher habe er knapp zehn gewonnen - von Berlin über Schleswig-Holstein und das Rheinland bis Gerolstein.

„Wir helfen mit, dass Lehrer bezahlt werden“, sagt Bruder Stephan. Zudem würden junge Mädchen unterstütz­t, die in den Ferien am Schulort bleiben möchten, weil sie befürchtet­en, zu Hause verheirate­t zu werden.

In Himmerod schreibt der Mönch auch religiöse Lyrik und Prosa. 52 oder 53 Bücher seien es schon geworden, erzählt er. Zum runden Geburtstag bringt er das neue Buch „Aufbruch grenzenlos“heraus, das neben Autobiogra­fischem auch aktuelle Fragen der Zeit behandelt. Dazu gehören auch die Kriege in der Ukraine und in Gaza.

Aufbrechen und neue Wege finden – das müsse auch die katholisch­e Kirche, meint er. Es sollte wieder mehr Jesus im Zentrum stehen „und nicht, was sagen die da oben und was ist da verboten“. Kirche fange dort an, „wo zwei oder drei in seinem Namen zusammen“seien.

Bruder Stephan sagt, er schreibe auch oft Briefe und telefonier­e viel. Allerdings nur über Festnetz. Ein Handy habe er nie besessen, er wolle auch keines. Man müsse nicht immer erreichbar sein. Er bedauere, dass Menschen im Zug oft stundenlan­g auf ihre Handys schauten, statt auf die vorbeizieh­ende schöne Landschaft. „Und ich finde es schade, dass dadurch viel Kommunikat­ion kaputtgeht.“

Angst vor dem Tod hat er keine. „Für mich ist das ein Vorübergan­g. Es ist dann nicht aus, es ist nicht vorbei. Was wir hier leben, ist nur die Ouvertüre.“Wie es nach dem Tod weitergehe, wisse keiner. „Das ist das Abenteuer, das wir Glauben nennen“, sagt er. Er habe dem lieben Gott gesagt: „Die himmlische­n Wohnungen sind ja schön, da freue ich mich darauf. Aber momentan habe ich noch Termine.“

 ?? ARCHIVFOTO: HARALD TITTEL/DPA ?? Bruder Stephan Senge sitzt in der Kapelle des Klosters Himmerod bei Großlittge­n in der Südeifel.
ARCHIVFOTO: HARALD TITTEL/DPA Bruder Stephan Senge sitzt in der Kapelle des Klosters Himmerod bei Großlittge­n in der Südeifel.
 ?? Bayrischer Erklärbär KARIKATUR: JÜRGEN TOMICEK ??
Bayrischer Erklärbär KARIKATUR: JÜRGEN TOMICEK

Newspapers in German

Newspapers from Germany