Unkraut vergeht nicht — oder doch?
Hast du gewusst, dass am 28. März Internationaler Tag des Unkrauts ist?, frage ich mein Gegenüber. „Bei mir ist gefühlt dreimal pro Woche Tag des Unkrautjätens“, grummelt der offensichtlich wenig für unkultivierte Gewächse übrig Habende, wobei er mit bedrohlichem Unterton hinzufügt, „und das sowas von lokal. Wenn ich hinten fertig bin, kann ich vorne wieder anfangen.“Es stimmt schon, dass die Wuchskraft im Frühjahr auch bei den „Pflanzen am falschen Platz“, wie ich sie mal emphatisch nennen möchte, dieselbe Vitalität entfalten wie das frisch sprießende Grün der Kulturpflanzen. Deshalb sollte man mit dem Unkraut jäten jetzt tatsächlich dahinterbleiben, damit die unerwünschten Gewächse den Willkommenen nicht das Licht, die Luft, Wasser und Nährstoffe wegnehmen. „Ist aber schon interessant, dass der Acker-Schachtelhalm in Japan als Gemüse geschätzt wird“, versuche ich den Skeptiker zu begeistern. „Klar, wenn man faserige KieselsäureStangen von der Konsistenz eines Pferdeschweifs gerne isst“, spöttelt der Anti-Unkrautversteher. „Sie nehmen ja nur die im März und April austreibenden jungen Sporentriebe“, erwidere ich. Und die sollen sehr mineralienreich sein. „Das könntest du mir gebraten bringen!“, würgt mein Gegenüber die Debatte ab. Ich könnte jetzt natürlich sagen: genauso machen es die Japaner – zehn Minuten in Öl anbruzzeln, dann mit einem Schuss Sojasoße ablöschen und weitere zehn Minuten dünsten – schwenke aber lieber auf ein vermeintlich erfreulicheres Unkraut um, das uns mit seinen strahlend blauen Blütenaugen anschaut. „Ist er nicht herzallerliebst, der Persische Ehrenpreis“, versuche ich es erneut. „Ein Stickstoffdieb, sonst nichts!“, knurrt der Unkrautjäter und rupft die niederliegende Rosette mit Vehemenz aus dem Rasen. Von den überraschenden Studien, die der Heilpflanze Zukunftschancen in der Bekämpfung von Alzheimer und Parkinson einräumen, brauche ich wohl gar nicht erst anfangen.
Ein letzter Versuch, um ihn von der kulinarischen Seite der oft überraschend vitaminreichen Unkräuter zu überzeugen: „Ich koch` dir ein Schaumkraut-Süppchen aus dem lästigen Behaarten Schaumkraut (Cardamine hirsuta).“So viel Rosettengrün mit Kressegeschmack wie derzeit sprießt, wäre die Mahlzeit gleich zusammengesammelt. Doch das Gegenüber verträgt die darin enthaltenen scharfen Senföle nicht. „Geh` mir fott mit Knopfkraut-Pesto und Queckenhonig! Und darf ich dich daran erinnern, wie du selber über die Fußangeln des Kriechenden Fingerkrauts geschimpft hast“, wirft mir mein Gegenüber vor. „Stimmt“, muss ich einräumen. „Aber jetzt sehe ich die dauerblühende Nektar- und Pollenquelle für Wildbienenarten mit ganz anderen Augen“– wenigstens am Internationalen Tag des Unkrauts.