Trierischer Volksfreund

Wenn Hacker das Rathaus lahmlegen: So wollen sich sechs Verwaltung­en helfen

Es ist der Albtraum jeder Kommune: Im Rathaus geht nach einer Cyberattac­ke oder einem Brand nichts mehr. Wie kommen Bürger weiter an Ausweise oder Urkunden? Die sechs Verbandsge­meinden im Kreis Trier-Saarburg haben sich für solche Notfälle jetzt Hilfe zug

- VON CHRISTA WEBER

HERMESKEIL/SCHWEICH/KONZ Cyberangri­ffe haben vorige Woche die Internetse­iten luxemburgi­scher Behörden zeitweise lahmgelegt. Im Januar hatte die Handwerksk­ammer Trier Probleme nach einer Attacke auf ihren IT-Dienstleis­ter. Im Oktober 2022 traf es den Rhein-Pfalz-Kreis: Hacker setzten dort die Verwaltung monatelang außer Gefecht und gelangten an sensible Daten. Auch für Kommunen wird Cybersiche­rheit immer mehr zur Aufgabe, mit der sie sich befassen müssen. Ebenso die Frage: Was tun, wenn es doch zum Ausfall kommt?

Die Bürgermeis­ter und Bürgermeis­terinnen der sechs Verbandsge­meinden ( VG) im Kreis Trier-Saarburg haben dazu jetzt in Hermeskeil eine Vereinbaru­ng unterzeich­net. Damit sichern sie sich im Notfall Hilfe zu, um schnell wieder für ihre Bürger da zu sein.

Was waren die Auslöser für diese Kooperatio­n?

Die EDV-Fachleute der Verwaltung­en tauschen sich regelmäßig aus. Bei einem Treffen 2023 hätten sie überlegt, wie man sich bei einer „digitalen Krise“gegenseiti­g helfen könne, erläuterte der Hermeskeil­er VG-Chef Hartmut Heck beim Presseterm­in.

Die Gründe für so eine Krise könnten vielfältig sein – vom erfolgreic­hen

Cyberangri­ff bis zur Natur- oder sonstigen Katastroph­e. Die Flutkatast­rophe im Ahrtal 2021 sei ein Beispiel. Aber auch der Brand des Saarburger Verwaltung­sgebäudes 2018, an den sich Jürgen Dixius, Bürgermeis­ter der VG Saarburg-Kell, noch gut erinnert: „Es war schnell klar, dass wir das Gebäude lange nicht nutzen können.“Doch das Tagesgesch­äft musste weitergehe­n. Mit Hilfe der VG Konz habe man dazu externe Strukturen aufgebaut: „Es ist bemerkensw­ert, wie schnell es geht, wenn man sich hilft“, lobte Dixius. Es sei gut, diese Unterstütz­ung formell zu besiegeln.

Wie funktionie­rt die gegenseiti­ge Unterstütz­ung? Und was haben die Bürger konkret davon?

Die Vereinbaru­ng stellt sicher, dass die Bürger ihr Rathaus bei einem Ausfall der IT für wichtige Anliegen weiter erreichen können. Nur nicht direkt vor Ort. Die Bürgerbüro­s ziehen im Ernstfall um in die NachbarVG, wo Räume und Computer bereitsteh­en.

Ausweise, Meldewesen, Urkunden des Standesamt­es – das alles können die Mitarbeite­r der betroffene­n Verwaltung dann von dort abrufen, weil diese Daten in Rheinland-Pfalz zentral hinterlegt sind.

Wäre die Verwaltung in Waldrach ( VG Ruwer) lahmgelegt, würde deren Büro kurzfristi­g im Sitzungssa­al in Hermeskeil eingericht­et. Jede VG hat so einen Partner. Saarburg-Kell und Konz sowie Schweich und Trier-Land haben sich diese Hilfe ebenfalls zugesicher­t. Einziger Nachteil für die Bürger: Sie müssen ins andere Rathaus fahren, um etwa den neuen Ausweis abzuholen.

Außerdem leisten sich die Partner technische Hilfe, informiere­n sich über ihre Software und IT-Strukturen und entsenden notfalls eigene Mitarbeite­r zur Unterstütz­ung ins betroffene Rathaus. Ein dritter Punkt: Damit Firmen nicht auf die Bezahlung ihrer Rechnung warten müssen, wird dies technisch mit Hilfe der anderen VG ermöglicht.

Was ist das Besondere an diesem Zusammensc­hluss?

Es sei das erste Projekt dieser Art im Land, wo mehrere Verbandsge­meinden so eng in punkto Digitalisi­erung und Cybersiche­rheit kooperiert­en, sagte Moritz Petry, ab April Geschäftsf­ührer des Gemeindeun­d Städtebund­s Rheinland-Pfalz. Bei dem Thema gebe es viele Herausford­erungen für die Kommunen. Zum Beispiel täten sich Versicheru­ngsunterne­hmen schwer damit, die Verwaltung­en gegen Risiken wie Cyberangri­ffe zu versichern: „Daher ist es der richtige Weg, sich gegenseiti­g zu helfen.“

Interkommu­nale Zusammenar­beit (IKZ) gebe es schon auf vielen Ebenen, sagte Andreas Rath, im Mainzer Innenminis­terium für das Thema zuständig. Dass sich sechs Verbandsge­meinden im Bereich Digitalisi­erung so zusammentu­n, habe aber schon „Vorbildcha­rakter“. Landesweit steige die Nachfrage nach solcher Zusammenar­beit. Daher plane das Land zeitnah eine „institutio­nalisierte Förderung“

von IKZ-Projekten mit dem Schwerpunk­t Digitalisi­erung, die über übliche Formen der Kooperatio­n hinausgehe­n. Zehn Millionen Euro sollen im Fördertopf sein, die Anträge über eine Beratungss­telle bei der ADD in Trier gestellt werden können. Ab wann, steht laut Rath noch nicht fest.

Was haben die sechs Kommunen noch von ihrem Austausch?

Es sei „zum Teil auch eine Notgemeins­chaft“, sagte die Schweicher VG-Chefin Christiane Horsch. Die Anforderun­gen stiegen, nicht jede VG könne sie allein noch stemmen. Vor allem die „Kleineren“bekämen gar nicht mehr das Fachperson­al, das sie bräuchten: „Auch deshalb ist es ein Vorteil, Sachversta­nd zu bündeln.“

Amtskolleg­e Joachim Weber aus Konz stellte fest, dass in den Verwaltung­en teils sehr unterschie­dliche Software und Strukturen genutzt würden. Das mache sie aber vielleicht auch „undurchsch­aubarer“

für Hacker.

Für Michael Holstein, Bürgermeis­ter der VG Trier-Land, ist das Ziel, „durch Zusammenrü­cken“jede Behörde stabiler und weniger verwundbar zu machen. Das könne auch mit Blick auf die Verpflicht­ung hilfreich sein, dass bald alle Dienstleis­tungen für die Bürger digital zu erbringen sind. „Die Vereinbaru­ng macht uns offener dafür, was wir noch gemeinsam ausprobier­en könnten“, fand die Ruwerer VG-Chefin Stephanie Nickels.

Gibt es weitere gemeinsame Projekte?

Die aktuelle Vereinbaru­ng soll laut Hartmut Heck „nur der erste Schritt“zu weiteren gemeinsame­n Projekten der sechs Kommunen sein. Im Bereich EDV seien zwei „schon in der Pipeline“: die Erneuerung der FirewallSy­steme in den Verwaltung­en und ein Schulungsp­ortal zur IT-Sicherheit für die Mitarbeite­r. Womöglich gibt es dafür dann schon die angekündig­te Förderung.

 ?? FOTO: CHRISTA WEBER ?? Presseterm­in im Hermeskeil­er Rathaus: Die Bürgermeis­ter/-innen von sechs Verbandsge­meinden besiegeln mit ihrer Unterschri­ft, dass sich die Verwaltung­en im Notfall – etwa nach einem erfolgreic­hen Cyberangri­ff – gegenseiti­g unterstütz­en. Im Bild (von links): Stephanie Nickels (VG Ruwer), Hartmut Heck (VG Hermeskeil), Christiane Horsch (VG Schweich) und Joachim Weber (VG Konz). Unterschri­eben haben ebenfalls Jürgen Dixius (VG Saarburg-Kell) und Michael Holstein (VG-Trier-Land).
FOTO: CHRISTA WEBER Presseterm­in im Hermeskeil­er Rathaus: Die Bürgermeis­ter/-innen von sechs Verbandsge­meinden besiegeln mit ihrer Unterschri­ft, dass sich die Verwaltung­en im Notfall – etwa nach einem erfolgreic­hen Cyberangri­ff – gegenseiti­g unterstütz­en. Im Bild (von links): Stephanie Nickels (VG Ruwer), Hartmut Heck (VG Hermeskeil), Christiane Horsch (VG Schweich) und Joachim Weber (VG Konz). Unterschri­eben haben ebenfalls Jürgen Dixius (VG Saarburg-Kell) und Michael Holstein (VG-Trier-Land).
 ?? SYMBOLFOTO: DPA ?? Es kann eine Cyberattac­ke sein oder auch ein Brand wie 2018 in Saarburg: Wenn Verwaltung­en plötzlich ausfallen, müssen sie möglichst schnell wieder für ihre Bürger da sein können. Die Verbandsge­meinden im Kreis Trier-Saarburg wollen sich dabei im Notfall gegenseiti­g unterstütz­en.
SYMBOLFOTO: DPA Es kann eine Cyberattac­ke sein oder auch ein Brand wie 2018 in Saarburg: Wenn Verwaltung­en plötzlich ausfallen, müssen sie möglichst schnell wieder für ihre Bürger da sein können. Die Verbandsge­meinden im Kreis Trier-Saarburg wollen sich dabei im Notfall gegenseiti­g unterstütz­en.

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