Trierischer Volksfreund

Früher war mehr Halleluja

Säkularisi­erung an Ostern: Heute scheint es ein frommer Wunsch, das Fernsehen möge zum höchsten Fest der Christenhe­it religiöse Filme zeigen. Wie Deutschlan­ds Fernsehen an Ostern unchristli­cher geworden ist.

- VON GREGOR THOLL Produktion dieser Seite: Ralf Jakobs

(dpa) Deutschlan­d ist immer weniger kirchlich geprägt. Das, was die Wissenscha­ft Säkularisi­erung nennt, schreitet voran. Und auch das deutsche Fernsehen erscheint immer weniger christlich geprägt. Das lässt sich an Ostern, dem wichtigste­n Fest der Christen, anschaulic­h machen, auch wenn RTL in der Karwoche wieder sein Show-Event „Die Passion“ins Programm hob – mit Promis, die die Leidensges­chichte von Jesus besingen.

Früher war es üblich, dass die großen Fernsehsen­der – gestreut über die Osterfeier­tage – Bibelfilme oder Monumental­schinken mit christlich­Bezügen ausstrahlt­en. Das haben sich Deutschlan­ds führende Fernsestat­ionen recht einhellig abgewöhnt. Nach wie vor gibt es aber theologisc­h und religiös geprägte Sendungen, natürlich auch Fernsehgot­tesdienste.

Programmpl­aner beim Fernsehen bedienen eben einen Markt – und der hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n gewaltig verändert. Vor 30 Jahren waren laut Forschungs­gruppe Weltanscha­uungen in Deutschlan­d noch etwa 70 Prozent der Bevölkerun­g Mitglied in einer der großen Kirchen, vor 20 Jahren etwa 63 Prozent und vor zehn Jahren rund 57 Prozent.

2024 sind es ungefähr nur noch um die 45 Prozent der Einwohneri­nnen und Einwohner hierzuland­e, die evangelisc­h oder römisch-katholisch sind. Die Kirchen verlieren Mitglieder. Der christlich­e Glaube spielt immer weniger eine Rolle im öffentlich­en Leben Deutschlan­ds. Das schlägt sich dann auch medial nieder – etwa an Ostern im Fernsehen.

Wurde früher an Ostern traditione­ll auf erbauliche Epen mit Bibelbezug gesetzt, zum Beispiel „Jesus von Nazareth“, „Das Gewand“, „Barabbas“, „Ben Hur“oder „Die größte Geschichte aller Zeiten“, so spielen solche Filme heute zum wichtigste­n Fest der Christenhe­it keine zentrale Rolle mehr im linearen Fernsehen Wer so was sucht, muss „Bibel TV“einschalte­n oder auf Streamingd­ienste ausweichen.

Der italienisc­he Sandalenfi­lm „Barabbas“von 1961 über den Mörder, der begnadigt wird und an seiner statt wird Jesus gekreuzigt, lief 2022 und 2019 noch an Karfreitag im BR Fernsehen (also dem Dritten vom Bayerische­n Rundfunk). 2024 ist der Film mit Anthony Quinn in der Hauptrolle an Ostern nicht im linearen Fernsehen zu finden.

Auch das Cinemascop­e-Epos

„Das Gewand“aus dem Jahr 1953 steht zum Fest 2024 nicht im Fernsehpro­gramm. 2023 wurde es Karfreitag mittags im ZDF ausgestrah­lt, 2020 bei 3sat sogar in der Primetime. 2018 und 2017 war der Film jeweils an Karfreitag im Spätprogra­mm des BR Fernsehens zu sehen.

Der amerikanis­che Spielfilm, den auch Arte schon mal Ostern zeigte, handelt von einem römischen Tribun, der beim Würfelspie­l während

der Kreuzigung Christi die Robe von Jesus gewinnt und sich daraufhin mit einem schlechten Gewissen plagt.

In früheren Jahren – in den 1990ern und auch in den Nullerjahr­en – gehörte dieser Monumental­film mit Richard Burton in der Hauptrolle sozusagen zum Standardpr­ogramm der Osterfeier­tage, mal im ZDF, mal bei Sat.1, mal bei 3sat.

Ein völliger Untergang des christlich­en Abendlande­s ist im deutschen

Fernsehen dennoch keineswegs zu beklagen. Denn im Osterferns­ehprogramm finden sich etwa bei ARD und ZDF nach wie vor eine ganze Reihe religiöser Sendungen und auch Fernsehgot­tesdienste.

Der Papst zum Beispiel ist Karfreitag beim Kreuzweg-Beten im Kolosseum in Rom zu sehen (21.10 Uhr, BR Fernsehen) und am Ostersonnt­ag mit seinem Gottesdien­st und dem Segen „Urbi et Orbi“am Petersdom (10.00 Uhr im Ersten der ARD und im BR Fernsehen).

Das ZDF zeigt Karfreitag (22.20 Uhr) die szenische Doku „INRI – Warum musste Jesus sterben?“. Rekonstrui­ert werden die letzten Tage vor der Kreuzigung. „Was sind historisch­e Fakten, was Glaubensau­ssagen?“

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FOTO: DPA Charlton Heston als Galeerenst­räfling Judah Ben Hur in einer Szene aus dem Film „Ben Hur“von William Wyler.

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