Trierischer Volksfreund

Was aus den islamistis­chen Umtrieben in Hamburg folgt

Das Islamische Zentrum Hamburg gilt unter Experten als verlängert­er Arm des iranischen Regimes. Dennoch wurde es bisher nicht geschlosse­n.

- VON MEY DUDIN UND JANA WOLF Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Lucas Hochstein

Auf unrühmlich­e Weise ist Hamburg in den Schlagzeil­en, weil es dort erneut islamistis­che Umtriebe gab. Am vergangene­n Samstag fand eine Demonstrat­ion mit mehr als 1000 Teilnehmer­n statt, die von der Gruppierun­g „Muslim Interaktiv“organisier­t wurde. Nun werden Forderunge­n nach einem Verbot laut. Diese richten sich seit Langem auch gegen das Islamische Zentrum Hamburg (IZH).

Was ist das Islamische Zentrum Hamburg?

Das IZH betreibt die „Blaue Moschee“in Hamburg und gilt als das wichtigste schiitisch­e Zentrum in Deutschlan­d. Schon seit dem Jahr 1993 wird es vom Hamburger Verfassung­sschutz beobachtet und als islamistis­ch eingestuft. Die Behörde schätzte das IZH 2017 als „Instrument der iranischen Staatsführ­ung“ein. Im November 2023 fand eine Großrazzia gegen das IZH und fünf weitere Vereinigun­gen in insgesamt sieben Bundesländ­ern statt. Es besteht der Verdacht, dass sich das Zentrum gegen die verfassung­smäßige Ordnung richtet und die in Deutschlan­d verbotenen Aktivitäte­n der Terrororga­nisation Hisbollah unterstütz­t.

Warum wurde das Zentrum noch nicht verboten?

Das Innenminis­terium ist sehr vorsichtig und will sichergehe­n, dass ein Verbot vor Gericht Bestand hätte. Man führe weiterhin „mit hoher Priorität“die Ermittlung­en gegen das IZH, sagte Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD). Das bei der Großrazzia sichergest­ellte Material werde „intensiv“ausgewerte­t. „Aber im Rechtsstaa­t ist auch klar: Weitere Maßnahmen müssen rechtssich­er sein“, so Faeser. Die Rufe nach einer Schließung reißen trotzdem nicht ab. Der FDP-Innenpolit­iker

Konstantin Kuhle forderte ein „zügiges Verbot“des IZH, das schon seit vielen Jahren eine Außenstell­e des Mullah-Regimes aus Teheran sei. „Ein Verbot gegen die Organisati­on wäre nicht nur ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen den Islamismus, sondern würde auch die Finanzieru­ng und Organisati­on islamistis­cher Kampagnen in Deutschlan­d erschweren“, sagte Kuhle. Der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Alexander Throm, kritisiert­e, dass seit der Großrazzia nichts passiert sei. „Es ist niemandem zu vermitteln, dass

Islamisten den deutschen Staat und unsere freiheitli­che Demokratie auch durch die Unterstütz­ung des IZH öffentlich verachten und vorführen“, so Throm.

Was ist „Muslim Interaktiv“?

Es handelt sich um eine junge, überwiegen­d männliche Gruppierun­g, die vor allem im Internet für ihre Positionen wirbt – etwa auf den Plattforme­n Tiktok oder Youtube. Ihr Logo: Ein Blutstropf­en und die Kaaba, das würfelförm­ige Heiligtum in Mekka. Auch wenn sie lauthals nach dem „Kalifat“, ruft oder, „Allahu Akbar“brüllt, der Gruppe geht es weniger um die Auslegung des Korans und die Regeln der Scharia, sondern vor allem darum, Muslime als Opfer von Rassismus und Kolonialis­mus darzustell­en. Sämtliche Videoclips transporti­eren die Botschaft: wir gegen sie. Wir, das sind demnach diskrimini­erte Muslime, und sie, das ist die deutsche Mehrheitsg­esellschaf­t – und allen voran Journalist­en und Politiker, die den Islamisten zufolge „Verleumdun­gskampagne­n“führten.

Gibt es Verbindung­en zwischen IZH und „Muslim Interaktiv“?

Von der inhaltlich­en Ausrichtun­g sind beide grundversc­hieden. Allerdings gibt es aktuell ein Thema, das sie eint: der Krieg im Nahen Osten. Nach den Worten von Nina Dierkes, beim Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) zuständig für Islamismus und islamistis­chen Terrorismu­s, instrument­alisieren islamistis­che Organisati­onen den Nahost-Konflikt für ihre eigene Ideologie. „Ihr Deutungsmu­ster ist es, dass Muslime in Deutschlan­d in der derzeitige­n Politik und in der medialen Landschaft keinen Platz haben, dass man sich deswegen abgrenzen müsse und dass nur sie eine richtige Alternativ­e darstellen können, in ihrer islamistis­chen Organisati­on und in ihrer islamistis­chen Ideologie“, sagte Dierkes vergangene Woche bei einem BfV-Symopsium. Demnach nutzen diese Gruppierun­gen die Präsenz des Nahost-Konflikts, „um ihr Opfernarra­tiv der Muslime erneut zu bekräftige­n“, so Dierkes.

Fallen islamistis­che Aktivitäte­n noch unter Meinungsäu­ßerung?

„Muslim Interaktiv“beruft sich auf die Meinungs- und Weltanscha­uungsfreih­eit. Der Beauftragt­e der Bundesregi­erung für weltweite Religions- und Weltanscha­uungsfreih­eit, Frank Schwabe (SPD), stellt aber klar: „Hass und Hetze und eine Untergrabu­ng der freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng haben mit Religionsf­reiheit natürlich nichts zu tun. Im Gegenteil, sie untergrabe­n den Gedanken der Achtung der Menschenre­chte – und damit auch der Religionsu­nd Weltanscha­uungsfreih­eit – in einem demokratis­chen pluralisti­schen politische­n System.“

Warum finden solche Erzählunge­n gerade jetzt bei jungen Menschen besonders Anklang?

Im Fokus sind junge Muslime der zweiten oder dritten Generation von Migrantinn­en und Migranten. Die Islamisten von „Muslim Interaktiv“sprechen Deutsch und versuchen bei ihnen mit der Erzählung durchzudri­ngen, dass sie für immer fremd in Deutschlan­d bleiben werden, ganz gleich, wie sehr sie sich darum bemühen, dazuzugehö­ren. Als vermeintli­che Belege werden immer wieder die Debatten um die Fußballpro­fis Mesut Özil oder Antonio Rüdiger genommen, insbesonde­re Özils Vorwurf, er sei „Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren“. Das fällt vor allem bei Jugendlich­en, die sich benachteil­igt fühlen, auf fruchtbare­n Boden.

 ?? FOTO: CHARISIUS/DPA ?? Die „Blaue Moschee“des Islamische­n Zentrums Hamburg (IZH). Das IZH wird seit 1993 vom Verfassung­sschutz beobachtet.
FOTO: CHARISIUS/DPA Die „Blaue Moschee“des Islamische­n Zentrums Hamburg (IZH). Das IZH wird seit 1993 vom Verfassung­sschutz beobachtet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany