Worum es beim nahenden CDU-Parteitag geht
Mit Spannung wird das Wahlergebnis für Parteichef Friedrich Merz erwartet. Es könnte auch einige Kontroversen geben.
1001 Delegierte, anders als sonst fast alle in einem Hotel untergebracht: Der am Montag beginnende CDU-Parteitag in einem riesigen Berliner Kongresszentrum soll auch zu einem Mega-Event der „Unionsfamilie“werden, wie es heißt. Darum geht es bei dem dreitägigen Event:. Signal: Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl 2021 will die CDU ihre programmatische und personelle Neuaufstellung besiegeln. Generalsekretär Carsten Linnemann sagte kürzlich unserer Redaktion, er erhoffe sich ein Signal „der Geschlossenheit und klare Inhalte, mit denen uns die Menschen wieder verbinden“. Auch rechne er mit kontroversen Debatten. Linnemann: „Wenn wir bei diesem Parteitag nicht frische Luft reinlassen, wann dann?“Grundsatzprogramm: Erstmals seit 2007 will die CDU am zweiten Tag des Parteitages ein neues Grundsatzprogramm beschließen. Über 2100 Änderungsanträge erreichten im Vorfeld des Treffens die Antragskommission. Das rund 70 Seiten umfassende Programm ist eine klare Abgrenzung zu den Ampel-Parteien, etwa in der Steuer- und Finanzpolitik, bei der Rente oder in gesellschaftlichen und energiepolitischen Fragen. Die Union wird zudem wieder deutlich konservativer. Auch kehrt der Begriff der Leitkultur zurück in die Programmatik sowie eine klare Haltung zum Islam: „Ein Islam, der unserer Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland“, heißt es im Papier.
Kontroversen: Da wäre die Atomkraft. Im Grundsatzprogramm bekennt sich die Union zu dieser Energieform, freilich nicht zur Kernenergie der alten Machart. Es gibt Anträge, die aber einen kompletten Verzicht fordern. Dann könnte es eine Debatte über die Rückkehr der Wehrpflicht geben. Noch plädiert die Union für ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“. Und auch eine Aufweichung der Schuldenbremse wird womöglich Thema werden. Pikant: Berlins Regierender Kai Wegner ist dafür, er wird ein Grußwort sprechen und auch das Tagungspräsidium leiten. „Politik muss wieder das machen, wofür Politik da ist: priorisieren und eine echte Aufgabenkritik des Staates vornehmen“, wehrt CDU-Mann Christoph Ploß für die Bundespartei ab.
Wiederwahl: Der erste Tag des Parteitages steht ganz im Zeichen der Wiederwahl von Friedrich Merz. Vor zwei Jahren wurde der 68-Jährige bei einem digitalen Parteitag gewählt mit 94,62 Prozent. Es war sein dritter Anlauf
auf den Parteivorsitz. Intern wird auf ein Ergebnis über 90 Prozent gehofft. Die Kandidaturen für die Vizechefs, für Präsidium und Bundesvorstand wurden im Vorfeld „geglättet“. Gerangel dürfte es bei den Beisitzern geben. Dass Generalsekretär Carsten Linnemann im Amt bestätigt werden wird, steht außer Frage.
Kanzlerkandidatur: Die K-Frage soll nach dem Willen der Parteiführung keine Rolle spielen auf dem Konvent. „Es gibt einen Fahrplan, der vorsieht, dass im Herbst dieses Jahres eine Entscheidung getroffen wird, und daran halten wir uns“, heißt es. Für Merz ist der Parteitag dennoch eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur – manch einer erhofft sich ein Signal des Vorsitzenden, dass er auch will. Mit besonderer Spannung wird zudem die Rede von CSU-Chef Markus Söder erwartet. Er könnte versucht sein, Merz die Schau zu stellen – oder aber ihm den Rücken stärken. Bei Söder weiß man nie.
Europa: Die Europawahl wird am dritten Tag des Konvents das bestimmende Thema sein. Erwartet wird ein Auftritt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, mit der die Union bei der Wahl am 9. Juni als Spitzenkandidatin in Rennen geht. Das Problem ist, dass von der Leyen nicht sonderlich beliebt ist in der CDU. Deutliche Kritik gibt es an dem aus Sicht der Partei zu weitgehenden „Green Deal“, mit dem Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden soll. Konkret erhitzt vor allem das Aus für den Verbrenner ab 2035 die CDU-Gemüter.
Schlussstrich: Beobachter sehen in dem Parteitag auch den endgültigen
Schlussstrich mit der Ära Angela Merkel. Die frühere Kanzlerin wird nicht erscheinen. Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler der Blätter für deutsche und internationale Politik, sagt, Merkel begreife sich „offensichtlich nur noch als Ex-Kanzlerin, aber nicht mehr als ehemalige CDUVorsitzende“. Merz und mehr noch Generalsekretär Linnemann würden bei jeder möglichen Gelegenheit deutlich machen, „dass es ihnen auf einen grundlegenden Neustart nach der Ära Merkel ankommt – was wiederum Merkels Absetzbewegungen von der aktuellen Parteispitze nur umso mehr verstärkt“. Auf dem Parteitag dürfte das wohl nochmal deutlich werden.