Trierischer Volksfreund

Worum es beim nahenden CDU-Parteitag geht

Mit Spannung wird das Wahlergebn­is für Parteichef Friedrich Merz erwartet. Es könnte auch einige Kontrovers­en geben.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Lucas Hochstein

1001 Delegierte, anders als sonst fast alle in einem Hotel untergebra­cht: Der am Montag beginnende CDU-Parteitag in einem riesigen Berliner Kongressze­ntrum soll auch zu einem Mega-Event der „Unionsfami­lie“werden, wie es heißt. Darum geht es bei dem dreitägige­n Event:. Signal: Nach der Niederlage bei der Bundestags­wahl 2021 will die CDU ihre programmat­ische und personelle Neuaufstel­lung besiegeln. Generalsek­retär Carsten Linnemann sagte kürzlich unserer Redaktion, er erhoffe sich ein Signal „der Geschlosse­nheit und klare Inhalte, mit denen uns die Menschen wieder verbinden“. Auch rechne er mit kontrovers­en Debatten. Linnemann: „Wenn wir bei diesem Parteitag nicht frische Luft reinlassen, wann dann?“Grundsatzp­rogramm: Erstmals seit 2007 will die CDU am zweiten Tag des Parteitage­s ein neues Grundsatzp­rogramm beschließe­n. Über 2100 Änderungsa­nträge erreichten im Vorfeld des Treffens die Antragskom­mission. Das rund 70 Seiten umfassende Programm ist eine klare Abgrenzung zu den Ampel-Parteien, etwa in der Steuer- und Finanzpoli­tik, bei der Rente oder in gesellscha­ftlichen und energiepol­itischen Fragen. Die Union wird zudem wieder deutlich konservati­ver. Auch kehrt der Begriff der Leitkultur zurück in die Programmat­ik sowie eine klare Haltung zum Islam: „Ein Islam, der unserer Werte nicht teilt und unsere freiheitli­che Gesellscha­ft ablehnt, gehört nicht zu Deutschlan­d“, heißt es im Papier.

Kontrovers­en: Da wäre die Atomkraft. Im Grundsatzp­rogramm bekennt sich die Union zu dieser Energiefor­m, freilich nicht zur Kernenergi­e der alten Machart. Es gibt Anträge, die aber einen kompletten Verzicht fordern. Dann könnte es eine Debatte über die Rückkehr der Wehrpflich­t geben. Noch plädiert die Union für ein „verpflicht­endes Gesellscha­ftsjahr“. Und auch eine Aufweichun­g der Schuldenbr­emse wird womöglich Thema werden. Pikant: Berlins Regierende­r Kai Wegner ist dafür, er wird ein Grußwort sprechen und auch das Tagungsprä­sidium leiten. „Politik muss wieder das machen, wofür Politik da ist: priorisier­en und eine echte Aufgabenkr­itik des Staates vornehmen“, wehrt CDU-Mann Christoph Ploß für die Bundespart­ei ab.

Wiederwahl: Der erste Tag des Parteitage­s steht ganz im Zeichen der Wiederwahl von Friedrich Merz. Vor zwei Jahren wurde der 68-Jährige bei einem digitalen Parteitag gewählt mit 94,62 Prozent. Es war sein dritter Anlauf

auf den Parteivors­itz. Intern wird auf ein Ergebnis über 90 Prozent gehofft. Die Kandidatur­en für die Vizechefs, für Präsidium und Bundesvors­tand wurden im Vorfeld „geglättet“. Gerangel dürfte es bei den Beisitzern geben. Dass Generalsek­retär Carsten Linnemann im Amt bestätigt werden wird, steht außer Frage.

Kanzlerkan­didatur: Die K-Frage soll nach dem Willen der Parteiführ­ung keine Rolle spielen auf dem Konvent. „Es gibt einen Fahrplan, der vorsieht, dass im Herbst dieses Jahres eine Entscheidu­ng getroffen wird, und daran halten wir uns“, heißt es. Für Merz ist der Parteitag dennoch eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Kanzlerkan­didatur – manch einer erhofft sich ein Signal des Vorsitzend­en, dass er auch will. Mit besonderer Spannung wird zudem die Rede von CSU-Chef Markus Söder erwartet. Er könnte versucht sein, Merz die Schau zu stellen – oder aber ihm den Rücken stärken. Bei Söder weiß man nie.

Europa: Die Europawahl wird am dritten Tag des Konvents das bestimmend­e Thema sein. Erwartet wird ein Auftritt von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, mit der die Union bei der Wahl am 9. Juni als Spitzenkan­didatin in Rennen geht. Das Problem ist, dass von der Leyen nicht sonderlich beliebt ist in der CDU. Deutliche Kritik gibt es an dem aus Sicht der Partei zu weitgehend­en „Green Deal“, mit dem Europa bis 2050 zum ersten klimaneutr­alen Kontinent werden soll. Konkret erhitzt vor allem das Aus für den Verbrenner ab 2035 die CDU-Gemüter.

Schlussstr­ich: Beobachter sehen in dem Parteitag auch den endgültige­n

Schlussstr­ich mit der Ära Angela Merkel. Die frühere Kanzlerin wird nicht erscheinen. Albrecht von Lucke, Politikwis­senschaftl­er der Blätter für deutsche und internatio­nale Politik, sagt, Merkel begreife sich „offensicht­lich nur noch als Ex-Kanzlerin, aber nicht mehr als ehemalige CDUVorsitz­ende“. Merz und mehr noch Generalsek­retär Linnemann würden bei jeder möglichen Gelegenhei­t deutlich machen, „dass es ihnen auf einen grundlegen­den Neustart nach der Ära Merkel ankommt – was wiederum Merkels Absetzbewe­gungen von der aktuellen Parteispit­ze nur umso mehr verstärkt“. Auf dem Parteitag dürfte das wohl nochmal deutlich werden.

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