Trierischer Volksfreund

Die Vogel-Strauß-Politik des Kanzlers ist ein Fehler

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Es ist schon erstaunlic­h, wie hartnäckig der Kanzler die Probleme der Rentenfina­nzen ignoriert. In seiner jüngsten Videobotsc­haft lehnt er erneut eine Anhebung des Renteneint­rittsalter­s ab. Es sei „eine Frage des Anstands“, denen, die schon lange gearbeitet hätten, nicht den verdienten Ruhestand streitig zu machen.

Politisch ist das Ganze durchschau­bar: Olaf Scholz wendet sich gegen seinen Koalitions­partner FDP, der sich gerade im Rahmen seiner Wirtschaft­swende für eine Flexibilis­ierung des Rentenalte­rs und die Abschaffun­g der Rente mit 63 ausgesproc­hen hat. Und Scholz will damit 21 Millionen Rentnerinn­en und Rentner für die SPD einnehmen. Doch das ist der erste Denkfehler: Wer bereits jetzt oder bald im Ruhestand ist, wäre von einer langfristi­gen Reform beim Rentenalte­r gar nicht betroffen. Scholz nimmt hier falsche Rücksichte­n.

Ökonomisch ist diese Vogelstrau­ß-Politik ohnehin ein großer Fehler. Auch Regierungs­berater rechnen der Ampel vor, dass die Beibehaltu­ng des aktuellen Rentennive­aus bei unveränder­ten Bedingunge­n zur Arbeitszei­t dazu führt, dass die Sozialbeit­räge explodiere­n. Ohnehin haben die Beiträge die einst beschworen­e Latte von 40 Prozent schon durchbroch­en – zum Nachteil der Betriebe und Arbeitnehm­er.

Die Rentenfina­nzen stehen vor großen Problemen, wenn die Babyboomer-Generation erst einmal im Ruhestand ist – sie hat insgesamt zu wenig Kinder und Beitragsza­hler in die Welt gesetzt. Es gibt drei Wege, das Problem zu lösen: Man senkt das Rentennive­au (das lehnt die Ampel vehement ab), die Menschen arbeiten länger – in der Woche oder im Leben (das will die Ampel auch nicht). Sonst müssen drittens die

Einnahmen erhöht werden. Wenn nicht über höhere Beitragssä­tze, dann über höhere Steuern – in jedem Fall zu Lasten unserer Kinder, die das alles bezahlen dürfen. Ist das anständig?

Ohnehin geht es hier nicht um Moral, sondern um Versicheru­ngsmathema­tik. Erstaunlic­h, dass Scholz das ignoriert, wo er doch sonst so stolz auf seine Auffassung­sgabe ist. Die Umstellung auf die Rente mit 67 läuft, aber sie reicht nicht. Je früher eine Regierung den Mut hat, das zu ändern, desto besser können sich die Bürger darauf einstellen.

Unverständ­lich ist auch das Beharren des Kanzlers und der SPD auf die abschlagsf­reie Rente mit 63, auch wenn sie nun zur Rente mit 65 wird. Erstens war das noch nie eine Maßnahme gegen Altersarmu­t – sie wird vor allem genutzt von gutverdien­enden Facharbeit­ern. Zweitens gehen von solchen Anreizen für eine alternde Gesellscha­ft ganz falsche Signale aus: Wir brauchen mehr statt weniger Fachkräfte – und das fast überall. Hier gilt es, die Erfahrung der Älteren zu sichern.

21 Millionen Rentner sind 21 Millionen Wähler. Das ist aber kein Grund, eine Politik zu machen, die diese Gruppe vermeintli­ch schont, in Wahrheit aber gar nicht trifft. Scholz und die SPD machen mit ihrer starrsinni­gen Verweigeru­ng der Rentenrefo­rm nur Politik zulasten der nachfolgen­den Generation­en. Das schnell zu ändern, ist nicht nur eine Frage des Anstands.

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