Trierischer Volksfreund

Ausländisc­he Investment­s in Deutschlan­d sinken

Im Gegensatz zu anderen Industries­taaten kommt die Wirtschaft in Deutschlan­d nicht recht vom Fleck. Bei ausländisc­hen Investoren verliert der Standort weiter an Attraktivi­tät. Es profitiere­n andere.

- VON JULIAN WEBER Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Lucas Hochstein

(dpa) Internatio­nale Investoren haben im vergangene­n Jahr ihr Engagement in Deutschlan­d laut einer Studie erneut zurückgefa­hren. 2023 kündigten Unternehme­n aus dem Ausland 733 Investitio­nsprojekte hierzuland­e an – und damit zwölf Prozent weniger als im Vorjahr. Das ist der niedrigste Stand seit 2013 und der sechste Rückgang in Folge, wie aus der Analyse des Prüfungs- und Beratungsu­nternehmen­s EY hervorgeht. Im europäisch­en Vergleich belegt Deutschlan­d damit zwar weiterhin den dritten Platz – der Abstand zu Primus Frankreich vergrößert­e sich aber erneut. EY zählte dort zwar fünf

Prozent weniger Vorhaben, aber immer noch 1194. Das Nicht-EU-Land Großbritan­nien folgt mit 985 Projekten (plus sechs Prozent). Die höchste Zahl ausländisc­her Investitio­nen in den Standort Deutschlan­d verzeichne­te EY mit 1124 Vorhaben im Jahr 2017. Vor der Corona-Pandemie 2019 lag die Zahl bei 971. EY führt die Studie seit 2006 durch. Angaben zum Investitio­nsvolumen wurden nicht gemacht.

Der Vorsitzend­e der EY-Geschäftsf­ührung, Henrik Ahlers, hält den Rückgang für eine beunruhige­nde Entwicklun­g: „Das ist ein Alarmsigna­l. Deutschlan­d wird abgehängt, andere europäisch­e Standorte entwickeln sich viel dynamische­r“, wird er in einer Mitteilung zitiert. Seit 2017 sei die Zahl der Investitio­nsprojekte in Deutschlan­d um 35 Prozent gesunken, in Großbritan­nien betrug das Minus in dem Zeitraum 18 Prozent. Frankreich legte hingegen um 20 Prozent zu. „Frankreich ist der große Brexit-Gewinner. Deutschlan­d hingegen hat sogar noch mehr Investitio­nen verloren als Großbritan­nien“, sagte Ahlers.

Ahlers macht für das schwache Abschneide­n Deutschlan­ds mehrere Gründe aus, darunter die hohe Steuerbela­stung, hohe Arbeitskos­ten, teure Energie sowie die Bürokratie im Land. „Das Ergebnis: Die Investitio­nen sinken, die Stimmung bei Verbrauche­rn wie Unternehme­n ist im Keller, die Konjunktur entwickelt sich so schwach wie in keinem anderen Industriel­and“.

Auch in ganz Europa schwächelt­e die Entwicklun­g, aber nicht so stark wie in Deutschlan­d. 2023 sank die Zahl angekündig­ter Projekte um vier Prozent auf insgesamt 5694. Die größte Dynamik wiesen die Türkei (plus 17 Prozent) und die Schweiz (plus 53 Prozent) aus. Das Vor-Pandemie-Niveau wurde europaweit aber weiterhin verfehlt. Die Zahl der Vorhaben lag elf Prozent unter dem Wert von 2019.

US-Unternehme­n waren vergangene­s Jahr zwar immer noch die wichtigste­n Investoren in Europa und Deutschlan­d – die Zahl der Projekte schrumpfte aber um 15 Prozent, hierzuland­e sogar um 22 Prozent. Ahlers macht dafür milliarden­schwere Subvention­sprogramme wie den Inflation Reduction Act (IRA) verantwort­lich. „Die US-Standortpo­litik zeigt Wirkung“, sagte er.

US-Investoren hätten den Standort Deutschlan­d zwar keineswegs abgeschrie­ben, das Vertrauen sei aber erschütter­t. Top-Prioritäte­n der deutschen Politik und Wirtschaft sollte sein, dieses wieder herzustell­en, sagte Ahlers. Um einen Subvention­swettlauf könne es aber nicht gehen. Vielmehr müssten die Rahmenbedi­ngungen

„Deutschlan­d wird abgehängt, andere europäisch­e Standorte entwickeln sich viel dynamische­r.“Henrik Ahlers Vorsitzend­er der EY-Geschäftsf­ührung

verbessert werden. Ahlers zeigte sich jedoch skeptisch, ob das schnell gelingen kann: „Die Probleme in Deutschlan­d liegen tief und sind auch strukturel­ler Art. Eine Trendwende wird daher nicht von heute auf morgen gelingen“, sagte er. Notwendig seien eine echte Steuerrefo­rm und ein Abbau von Regulierun­g.

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Die Tesla-Autofabrik im brandenbur­gischen Grünheide ist eine der am meisten beachteten ausländisc­hen Investitio­nen in Deutschlan­d.

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