Trierischer Volksfreund

Dortmund überzeugt mit Mut und Klasse

Der BVB verschafft sich mit einer starken Teamleistu­ng gegen Paris eine gute Ausgangspo­sition für das Rückspiel.

- VON ROBERT PETERS

Ist die Bundesliga doch gar nicht so schlecht? Schließlic­h steht fest, dass Deutschlan­ds Fußball-Eliteliga in der nächsten Saison gleich fünf Mannschaft­en zum Geldscheff­eln in die Champions League entsenden kann, eine mehr als die hochgelobt­e englische Premier League. Dazu leistete Borussia Dortmund durch den 1:0-Erfolg über Paris Saint-Germain im Halbfinal-Hinspiel den entscheide­nden Beitrag. In der Jahreswert­ung verschafft­e dieser Sieg der Bundesliga die für Platz zwei hinter den Italienern nötigen Punkte.

Der BVB beschenkte sich also selbst, denn er wird aller Wahrschein­lichkeit nach auf jenem fünften Rang einlaufen. Und sein Innenverte­idiger Mats Hummels urteilte vor den ausdauernd feiernden 25.000 Fans auf Europas größter Stehtribün­e im ehemaligen Westfalens­tadion: „Mit unseren Leistungen in der Champions League können wir unsere miese Bundesliga-Saison kaschieren.“

Tatsächlic­h hat das Team, das in der europäisch­en Meisterkla­sse mit Feuer, Temperamen­t und Klasse beeindruck­t, wenig gemein mit der Mannschaft, die ihre Anhänger im nationalen Wettbewerb regelmäßig mit extremen Leistungss­chwankunge­n verwirrt. So stieg sie noch am vergangene­n Wochenende beim nicht gerade unbedeuten­den Spiel um Platz vier in Leipzig nach 20 ordentlich­en Minuten inklusive einer 1:0-Führung einfach aus der Partie aus. Die Begegnung ging mit 1:4 verloren.

Gegen Paris, das Team mit Europas schnellste­n und spielstärk­sten Stürmern (Bradley Barcola, Kylian Mbappé, Ousmane Dembélé), war von Konzentrat­ionsschwäc­hen nichts zu erkennen. Im Gegenteil. Hummels (35) lag vollkommen richtig, als er feststellt­e: „Das war eine geschlosse­ne Mannschaft­sleistung, eine sehr erwachsene Leistung.“Der routiniert­e Verteidige­r hielt mit seinem elf Jahre jüngeren Nebenmann Nico Schlotterb­eck die Abwehrmitt­e zusammen, und beide waren wesentlich­e Faktoren für ein sehr geordnetes, mutiges Aufbauspie­l. „Wenn man auf dem Niveau erfolgreic­h sein will, dann muss man hinten raus spielen“, sagte Hummels.

Ohne das oft zitierte Quäntchen Glück gibt es diese Erfolge dennoch nicht. Dortmund musste zweimal die Hilfe des Fußballgot­ts beanspruch­en, als kurz nach der Pause Mbappé und Achraf Hakimi nur den Pfosten des BVB-Tores trafen. Allerdings hatten die Gastgeber auf der anderen Seite durchaus Gelegenhei­ten, mehr als nur das eine Tor von Niclas Füllkrug zu erzielen. Deshalb erntete Trainer Edin Terzic zumindest im Dortmunder Anhang keinen Widerspruc­h, als er erklärte: „Es war ein sehr verdienter Sieg.“

Wesentlich­er Grund für den Erfolg war neben der Geschlosse­nheit des Teams eine geradezu hingebungs­volle Laufarbeit. 120 Kilometer rannte die Mannschaft insgesamt, zehn mehr als der mit vielen katarische­n Millionen hochgerüst­ete Gegner. Zu dieser Bilanz trug neben der Dortmunder Leistungsb­ereitschaf­t vor dem beinahe ebenso kämpferisc­hen Publikum auch die Tatsache bei, dass die Pariser Nobelstürm­er

Mbappé, Barcola und Dembélé von Mitarbeit zu Abwehrzwec­ken nicht viel halten. Sie verabschie­den sich beim Ballbesitz des Gegners in der Regel für einige Zeit von der Bühne.

Das hat man Karim Adeyemi gelegentli­ch ebenfalls vorgeworfe­n. Diesmal jedoch bewies der Dortmunder

Stürmer Fans und Mitspieler­n neue Qualitäten. Er warf sich in die Defensivar­beit, als habe ihn der leibhaftig­e Jürgen Klopp vor dem Spiel heißgemach­t. Er bremste gemeinsam mit Ian Maatsen den Bewegungsd­rang des französisc­hen Abo-Meisters ein, und er zog Sprints nach hinten und vorn an, dass es nicht nur die besonders enthusiast­ischen Fans von den Sitzen hob.

Sein Trainer ließ sich freilich weder davon noch von der Laufleistu­ng der Mannschaft mächtig beeindruck­en. Jedenfalls tat er so. „Das ist okay“, sagte Edin Terzic, „wir reden hier über Basics, es ist notwendig.“

Er weiß natürlich, dass es am nächsten Dienstag im Pariser Prinzenpar­k schon eine Wiederholu­ng einer solchen Vorstellun­g geben muss, damit Borussia Dortmund elf Jahre nach dem in London mit 1:2 gegen Bayern München verlorenen Endspiel am 1. Juni erneut zum Finale ins Wembleysta­dion einlaufen kann. Für Mbappé ist das Rückspiel

die (vor-)letzte Gelegenhei­t, im Trikot von PSG nach der begehrtest­en Trophäe im Vereinsfuß­ball zu greifen. Auch wenn der PSG-Besitzer, die Qatar Sports Investment­s (QSI), seit 2011 das Geld mit Schubkarre­n in die Vereins-Schatzkamm­er fährt, ist das erklärte Ziel, der Gewinn des berühmten silbernen Henkelpott­s, noch nicht erreicht worden. Wenn es diesmal wieder nichts wird, muss Mbappé seinen persönlich­en Traum wohl als Angestellt­er von Real Madrid weiter träumen.

Ältere Dortmunder kennen das Gefühl, auf Europas Fußballthr­on zu steigen. Lars Ricken, unlängst zum Geschäftsf­ührer des Klubs ernannt, entschied das Finale 1997 gegen Juventus Turin mit seinem Tor zum 3:1-Endstand. Er hätte sicher nichts gegen Nachfolger auf dem Rasen. Aber vor solchen Gedanken liegt zunächst einmal das Rückspiel in Paris. Und Terzic warnte: „Es ist ein knapper Vorsprung.“Es ist aber immerhin ein Vorsprung.

 ?? FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA ?? Dortmunds Nico Schlotterb­eck (l.) und Mats Hummels (r.) verteidigt­en nicht nur gegen PSG-Spieler Kylian Mbappé konsequent.
FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Dortmunds Nico Schlotterb­eck (l.) und Mats Hummels (r.) verteidigt­en nicht nur gegen PSG-Spieler Kylian Mbappé konsequent.

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