Dortmund überzeugt mit Mut und Klasse
Der BVB verschafft sich mit einer starken Teamleistung gegen Paris eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel.
Ist die Bundesliga doch gar nicht so schlecht? Schließlich steht fest, dass Deutschlands Fußball-Eliteliga in der nächsten Saison gleich fünf Mannschaften zum Geldscheffeln in die Champions League entsenden kann, eine mehr als die hochgelobte englische Premier League. Dazu leistete Borussia Dortmund durch den 1:0-Erfolg über Paris Saint-Germain im Halbfinal-Hinspiel den entscheidenden Beitrag. In der Jahreswertung verschaffte dieser Sieg der Bundesliga die für Platz zwei hinter den Italienern nötigen Punkte.
Der BVB beschenkte sich also selbst, denn er wird aller Wahrscheinlichkeit nach auf jenem fünften Rang einlaufen. Und sein Innenverteidiger Mats Hummels urteilte vor den ausdauernd feiernden 25.000 Fans auf Europas größter Stehtribüne im ehemaligen Westfalenstadion: „Mit unseren Leistungen in der Champions League können wir unsere miese Bundesliga-Saison kaschieren.“
Tatsächlich hat das Team, das in der europäischen Meisterklasse mit Feuer, Temperament und Klasse beeindruckt, wenig gemein mit der Mannschaft, die ihre Anhänger im nationalen Wettbewerb regelmäßig mit extremen Leistungsschwankungen verwirrt. So stieg sie noch am vergangenen Wochenende beim nicht gerade unbedeutenden Spiel um Platz vier in Leipzig nach 20 ordentlichen Minuten inklusive einer 1:0-Führung einfach aus der Partie aus. Die Begegnung ging mit 1:4 verloren.
Gegen Paris, das Team mit Europas schnellsten und spielstärksten Stürmern (Bradley Barcola, Kylian Mbappé, Ousmane Dembélé), war von Konzentrationsschwächen nichts zu erkennen. Im Gegenteil. Hummels (35) lag vollkommen richtig, als er feststellte: „Das war eine geschlossene Mannschaftsleistung, eine sehr erwachsene Leistung.“Der routinierte Verteidiger hielt mit seinem elf Jahre jüngeren Nebenmann Nico Schlotterbeck die Abwehrmitte zusammen, und beide waren wesentliche Faktoren für ein sehr geordnetes, mutiges Aufbauspiel. „Wenn man auf dem Niveau erfolgreich sein will, dann muss man hinten raus spielen“, sagte Hummels.
Ohne das oft zitierte Quäntchen Glück gibt es diese Erfolge dennoch nicht. Dortmund musste zweimal die Hilfe des Fußballgotts beanspruchen, als kurz nach der Pause Mbappé und Achraf Hakimi nur den Pfosten des BVB-Tores trafen. Allerdings hatten die Gastgeber auf der anderen Seite durchaus Gelegenheiten, mehr als nur das eine Tor von Niclas Füllkrug zu erzielen. Deshalb erntete Trainer Edin Terzic zumindest im Dortmunder Anhang keinen Widerspruch, als er erklärte: „Es war ein sehr verdienter Sieg.“
Wesentlicher Grund für den Erfolg war neben der Geschlossenheit des Teams eine geradezu hingebungsvolle Laufarbeit. 120 Kilometer rannte die Mannschaft insgesamt, zehn mehr als der mit vielen katarischen Millionen hochgerüstete Gegner. Zu dieser Bilanz trug neben der Dortmunder Leistungsbereitschaft vor dem beinahe ebenso kämpferischen Publikum auch die Tatsache bei, dass die Pariser Nobelstürmer
Mbappé, Barcola und Dembélé von Mitarbeit zu Abwehrzwecken nicht viel halten. Sie verabschieden sich beim Ballbesitz des Gegners in der Regel für einige Zeit von der Bühne.
Das hat man Karim Adeyemi gelegentlich ebenfalls vorgeworfen. Diesmal jedoch bewies der Dortmunder
Stürmer Fans und Mitspielern neue Qualitäten. Er warf sich in die Defensivarbeit, als habe ihn der leibhaftige Jürgen Klopp vor dem Spiel heißgemacht. Er bremste gemeinsam mit Ian Maatsen den Bewegungsdrang des französischen Abo-Meisters ein, und er zog Sprints nach hinten und vorn an, dass es nicht nur die besonders enthusiastischen Fans von den Sitzen hob.
Sein Trainer ließ sich freilich weder davon noch von der Laufleistung der Mannschaft mächtig beeindrucken. Jedenfalls tat er so. „Das ist okay“, sagte Edin Terzic, „wir reden hier über Basics, es ist notwendig.“
Er weiß natürlich, dass es am nächsten Dienstag im Pariser Prinzenpark schon eine Wiederholung einer solchen Vorstellung geben muss, damit Borussia Dortmund elf Jahre nach dem in London mit 1:2 gegen Bayern München verlorenen Endspiel am 1. Juni erneut zum Finale ins Wembleystadion einlaufen kann. Für Mbappé ist das Rückspiel
die (vor-)letzte Gelegenheit, im Trikot von PSG nach der begehrtesten Trophäe im Vereinsfußball zu greifen. Auch wenn der PSG-Besitzer, die Qatar Sports Investments (QSI), seit 2011 das Geld mit Schubkarren in die Vereins-Schatzkammer fährt, ist das erklärte Ziel, der Gewinn des berühmten silbernen Henkelpotts, noch nicht erreicht worden. Wenn es diesmal wieder nichts wird, muss Mbappé seinen persönlichen Traum wohl als Angestellter von Real Madrid weiter träumen.
Ältere Dortmunder kennen das Gefühl, auf Europas Fußballthron zu steigen. Lars Ricken, unlängst zum Geschäftsführer des Klubs ernannt, entschied das Finale 1997 gegen Juventus Turin mit seinem Tor zum 3:1-Endstand. Er hätte sicher nichts gegen Nachfolger auf dem Rasen. Aber vor solchen Gedanken liegt zunächst einmal das Rückspiel in Paris. Und Terzic warnte: „Es ist ein knapper Vorsprung.“Es ist aber immerhin ein Vorsprung.