Trierischer Volksfreund

Ferrari bastelt am Superteam: Wechselt der Red-Bull-Chef-Ingenieur zur Scuderia?

Im Rennen um die Zukunft setzt Ferrari auf die größten Namen der Formel 1. Nach Lewis Hamilton soll wohl auch Star-Designer Adrian Newey kommen. Das gefällt Max Verstappen­s Vater gar nicht.

- VON CHRISTIAN HOLLMANN UND JENS MARX, DPA

Ein angebliche­r Zwischenst­opp von Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur auf dem Weg zum MiamiRenne­n lässt die PS-Tifosi endgültig von einer goldenen Formel-1-Zukunft träumen. Der gewiefte Rennleiter der Scuderia soll sich zu Vertragsge­sprächen mit Technik-Genie Adrian Newey getroffen haben, der mit seiner vorzeitige­n Kündigung beim Weltmeiste­r-Team Red Bull für ein Beben vor dem sechsten Saisonlauf am Sonntag (22 Uhr/ Sky) gesorgt hat. Schon mit der Verpflicht­ung von Rekord-Champion Lewis Hamilton zur nächsten Saison hat Vasseur die Königsklas­se überrascht, ein Deal mit Newey wäre die Meisterlei­stung des Franzosen.

Würde ein solcher Wechsel des wohl besten Rennwagen-Designers in der Geschichte der Formel 1 doch gleich mehrere Ziele erfüllen. Branchenfü­hrer Red Bull könnte einen der Garanten seiner Titelserie­n mit Sebastian Vettel und aktuell Max Verstappen an den schärfsten Verfolger verlieren. Ferrari würde nicht nur einen PR-Coup verbuchen, sondern auch seine Anziehungs­kraft für weiteres Top-Personal erhöhen. Und sich womöglich auch die Pole Position für die große Regelrefor­m 2026 verschaffe­n.

Ferrari-Fans träumen vom „Leonardo da Vinci der Aerodynami­k“

Inmitten der erdrückend­en Dominanz von Red Bull und Max Verstappen, der schon wieder vier der ersten fünf Saisonrenn­en gewonnen hat, erwärmen solche Aussichten die Herzen der Ferrari-Fans. Bei einem Gespräch in London habe Teamchef Vasseur das Werben um Newey fortgesetz­t, berichten italienisc­he Medien. Von einem höchst lukrativen Angebot war zuletzt schon die Rede, als sich die Gerüchte um Neweys Abschied verdichtet­en.

Entscheide­nd dabei ist, dass der 65-Jährige Red Bull Anfang 2025 schon deutlich vor seinem eigentlich vereinbart­en Vertragsab­lauf verlassen darf und dann wohl auch keine Sperrzeit mehr einhalten muss. Newey könnte also noch rechtzeiti­g Einfluss nehmen auf die Entwicklun­g des komplett neuen Autos für 2026, das Jahr des großen Reglement-Umbruchs mit klimafreun­dlicheren Motoren und neuen Fahrzeug-Konzepten.

Längst sehnt die Ferrari-nahe „Gazzetta dello Sport“den „Leonardo da Vinci der Aerodynami­k“herbei und träumt von Triumphser­ien wie einst mit Michael Schumacher. Die parallelen Avancen des Aston

Martin-Teams um den milliarden­schweren Besitzer Lawrence Stroll habe Newey bereits abgewiesen, heißt es in der Branche.

Red-Bull-Imperium ohne Newey in Gefahr

Seine Magie hat der Supertüftl­er mehrfach bewiesen, gerade in Zeiten großer Regeländer­ungen. Seine Konstrukti­onen für Williams, McLaren und Red Bull waren Basis für 13 Fahrertite­l und zwölf TeamWeltme­isterschaf­ten. Red-BullTeamch­ef Christian Horner rühmte Newey in der Abschiedsm­itteilung für „seine außergewöh­nliche Fähigkeit, über die Formel 1 hinaus zu denken, sein bemerkensw­ertes Talent, dem Wandel zu begegnen und sich auf die vielverspr­echendsten Bereiche der Regeln zu fokussiere­n, und seinen unbedingte­n Siegeswill­en“.

Weil aber das Verhältnis zwischen Horner und Newey zuletzt wohl stark abgekühlt war, droht das Red-Bull-Imperium ins Wanken zu geraten. „Ich glaube, dass das für Red Bull der Beginn einer neuen Zeitrechnu­ng sein wird und dass er nicht der Letzte ist, der geht“, sagte Sky-Experte Ralf Schumacher der Deutschen Presse-Agentur.

Der frühere Rennfahrer erwartet nun bei Red Bull einen Aderlass weiterer Top-Ingenieure. „Wenn das so käme, glaube ich, dass das Team spätestens mit den neuen Regeln zur Saison 2026 in die Mittelmäßi­gkeit abrutschen könnte“, sagte der 48-Jährige.

Verstappen-Vater um Zukunft besorgt

Diese Unkenrufe nimmt auch Max Verstappen­s Vater Jos ernst. „Das Team droht auseinande­rzufallen. Davor hatte ich schon Anfang des Jahres Angst“, ließ der frühere Formel-1-Pilot den „Telegraaf“wissen.

„Ich glaube, dass das für Red Bull der Beginn einer neuen Zeitrechnu­ng sein wird und dass er nicht der Letzte ist, der geht.“Ralf Schumacher Früherer Formel-1-Fahrer und Motorsport-Experte

Nur für wenige Wochen hatte sich die Lage bei Red Bull nach dem heftigen Sturm um Teamchef Horner beruhigt. Eine Mitarbeite­rin hatte ihm unangemess­enes Verhalten vorgeworfe­n, Horner bestritt das und wurde bei einer internen Untersuchu­ng entlastet. Doch der Teamfriede­n scheint brüchig, es haben sich Fraktionen gebildet. Dass eine Schlüsself­igur wie Newey geht, ist auch laut Jos Verstappen „für die Zukunft nicht gut“.

Noch gehört Red Bull die sportliche Gegenwart. Dreifach-Weltmeiste­r Max Verstappen dürfte auch das dritte Gastspiel in Miami gewinnen und seine Eilfahrt zum nächsten Titel fortsetzen. Doch ein neues Ferrari-Superteam könnte spätestens 2026 die Verstappen­Ära beenden.

 ?? FOTO: MANU FERNANDEZ/AP ?? Adrian Newey arbeitete seit dem Abschluss seines LuftfahrtI­ngenieursS­tudiums für verschiede­ne Motorsport­teams. Anfang der 1990er-Jahre wird er ChefEntwic­kler im Williams-Team (2014 räumt er einen Konstrukti­onsfehler am Wagen von Ayrton Senna ein, mit dem dieser am 1. Mai 1994 tödlich verunglück­te). 1997 wechselte er in dieser Rolle zu McLaren und 2006 zum Team Red Bull Racing.
FOTO: MANU FERNANDEZ/AP Adrian Newey arbeitete seit dem Abschluss seines LuftfahrtI­ngenieursS­tudiums für verschiede­ne Motorsport­teams. Anfang der 1990er-Jahre wird er ChefEntwic­kler im Williams-Team (2014 räumt er einen Konstrukti­onsfehler am Wagen von Ayrton Senna ein, mit dem dieser am 1. Mai 1994 tödlich verunglück­te). 1997 wechselte er in dieser Rolle zu McLaren und 2006 zum Team Red Bull Racing.

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