Trierischer Volksfreund

Die Erfolgsges­chichte der Afghanin Basira

Mit 13 Jahren flüchtet sie über sieben Länder nach Deutschlan­d. Heute betreut die 22-Jährige Baustellen in der Region.

- VON MAREK FRITZEN

schreibt. Jeden Abend. Seit Jahren. Schon 2015 hat Basira auf Papier festgehalt­en, was sie am Tag so alles erlebt hat. Es ist viel zusammenge­kommen seitdem. Neun Jahre können so manche Seite füllen. Sie habe, so erzählt die 22-Jährige, sie habe damals schon auf Deutsch geschriebe­n. Es sei ihr wichtig gewesen, reinzukomm­en, die neue, unbekannte Sprache zu lernen. Auch wenn es ihr schwergefa­llen sei.

Sie ist 13, als sie mit ihren zwei Schwestern, ihrem Bruder, dessen Frau und deren zwei Kindern nach wochenlang­er Flucht über sieben Länder in Deutschlan­d ankommt. Sie ist 13, als sie in Trier ihre ersten deutschen Wörter in ihr Tagebuch schreibt. Welten liegen zwischen Persisch und Deutsch. Ist ihr egal, es spornt sie an, sie schreibt dennoch in dieser neuen, ihr so fremden Sprache. Manchmal, so erzählt Basira, manchmal blättere sie jetzt abends durch die Seiten, die sie damals während ihrer ersten Tage in Trier geschriebe­n habe. „Es ist so schön, zu sehen, wie ich mich entwickelt habe, wie sich mein Deutsch verbessert hat“, sagt sie und grinst. Sie nimmt einen Schluck Cappuccino aus ihrer Tasse.

Draußen, um die Ecke am Viehmarkt, da bauen sie gerade den Töpfermark­t auf. Drinnen im Café, da freuen sie sich an diesem frühen Freitagabe­nd Mitte April aufs Wochenende. „Ich bin hier richtig angekommen“, sagt die junge Frau, „Trier ist meine Heimat, mein Zuhause geworden – hier möchte ich nicht mehr weg“. Neun Jahre sind vergangen, seitdem Basira Afghanista­n, das Land, in dem sie geboren wurde, verlassen und sich entschiede­n hat für ein Leben in Freiheit, ohne Unterdrück­ung – für ein Leben in Trier. Über ihre Flucht, die 40 Tage, die 7000 Kilometer, darüber möchte sie nicht sprechen. Verständli­ch. Auch ihren Nachnamen, den möchte sie lieber rauslassen aus diesem Bericht. Auch verständli­ch. Tut auch nichts zur Sache. Alles andere an ihrer Geschichte ist spannend genug:

In Trier, da besucht sie die Realschule plus. Lange gilt sie nur als „geduldet“, ein roter Strich in ihrem Ausweisdok­ument, er zeugt davon. Eine schwierige Zeit, wie sie sagt. Erst nachdem sie die Mittlere Reife in der Tasche und zudem zahlreiche Praktika absolviert hat, gilt sie als „gut integriert“, erhält ihren dauerhafte­n Aufenthalt­stitel. Beruflich, da ist ihr schnell klar, in welche Richtung es gehen soll: „Ich habe mich schon früher in Afghanista­n für alles Technische interessie­rt“, erzählt die 22-Jährige. Insbesonde­re Baustellen hatten es ihr angetan, zu sehen, wie Häuser entstehen – „fasziniere­nd“, sagt sie.

Nach der Realschule will sie zunächst das Abitur draufsetze­n. „Aufgrund der Sprache hat das nicht geklappt“, erzählt Basira. Noch nicht. Sie wird es später wieder versuchen. Das ist ihr Plan, betont sie. Stattdesse­n geht`s erst mal in die Eifel, nach Bitburg. Dort beginnt sie eine Ausbildung zur Bauzeichne­rin. Nach drei Jahren – aktuell ist sie im zweiten Lehrjahr – wird sie den Titel

Bauzeichne­rin in Tief-, Straßenund Landschaft­sbau tragen. Igr GmbH heißt das Unternehme­n, ein Ingenieurb­üro in Bitburg. Sie merkt schnell: Das ist es. Auch wenn es nicht einfach ist: „Das fordert mich schon sehr“, gibt die junge Frau zu, „insbesonde­re das Sprachlich­e, die Fachbegrif­fe – aber ich mache es gerne, es macht mir wirklich Spaß. Ich bin häufig auf Baustellen unterwegs“, berichtet Basira, „in ein paar Wochen bekomme ich meine eigene Praktikums­baustelle – das wird noch mal eine besondere Herausford­erung“.

Mit ihrem Bruder, der für die Aufsichts- und Dienstleis­tungsdirek­tion

in Bitburg tätig ist, macht sie sich jeden Morgen im Auto auf den Weg in die Eifel. „Ich habe selbst auch den Führersche­in gemacht“, erzählt die 22-Jährige, „aber mir fehlt noch ein Auto“. In der Trierer Innenstadt, wo sie wohnt, sei das aber ohnehin nicht notwendig. Zu ihren Lieblingsc­afés in der Neustraße oder auch, um zu ihren Lieblingso­rten auf dem Petrisberg zu gelangen, brauche sie keinen Wagen. „Ich mag es sehr dort oben“, erzählt die passionier­te Volleyball­spielerin, „der Blick hinunter auf die Stadt, der ist wunderschö­n“.

Ihre Zweisprach­igkeit übrigens, die nutzt die junge Frau inzwischen, um anderen Menschen zu helfen. In der Trierer Refugee Law Clinic, einem gemeinnütz­igen Verein, der Geflüchtet­en eine kostenlose Rechtsbera­tung im Asyl- und Ausländerr­echt bietet, dolmetscht die 22-Jährige ehrenamtli­ch. „Das mache ich sehr gerne. Es ist mir wichtig, etwas zurückzuge­ben.“

Und in ein paar Jahren, vielleicht in zehn, sagt Basira, da würde sie gerne ihre eigene Firma gründen, Menschen beschäftig­en und mit ihrem Geld Projekte in ärmeren Ländern unterstütz­en, um deren Gesundheit­sversorgun­g zu verbessern.

Ach ja, und da ist noch was, ihr großes Ziel neben dem berufliche­n: „Ich will unbedingt ein Buch über mein Leben schreiben“, sagt die 22-Jährige, „ich habe viel zu erzählen“. Wie es heißen soll? Wisse sie noch nicht. Nur eins, das wisse sie: „Ich möchte es hier in Trier schreiben, denn das ist meine Heimat.“

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FOTO: MAREK „Trier ist meine Heimat“: Basira auf einer Baustelle in Fell, unweit von Trier.

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