Trierischer Volksfreund

Merz gibt den Staatsmann – doch der Wahlkämpfe­r fehlt

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Friedrich Merz hat sich viel vorgenomme­n. Die Rede des CDU-Vorsitzend­en auf dem Berliner Parteitag sollte staatsmänn­isch klingen, die Partei auf die bevorstehe­nden Wahlkämpfe einschwöre­n und klarmachen, dass die Union jederzeit wieder die Macht im Land übernehmen kann.

Das erste ist Merz gelungen. Er hat der Versuchung widerstand­en, sich an der Ampel-Regierung abzuarbeit­en und nur mit Kritik an SPD-Kanzler Olaf Scholz den Parteitag zu begeistern. Es war eine staatsmänn­ische, nüchterne, nachdenkli­che Rede, die große politische Linien enthielt. Merz erinnerte dabei mehr an die ehemalige Kanzlerin und Parteivors­itzende Angela Merkel als ihm wahrschein­lich lieb ist. Beide sind in Abneigung miteinande­r verbunden.

Die Partei dankt ihm mit sehr langem, wohlwollen­dem Applaus, der jedoch nicht stürmisch ausfällt. Das Ergebnis bei der Wahl von knapp 90 Prozent ist solide, nicht hervorrage­nd. CDU-Generalsek­retär Carsten Linnemann fährt ein leicht besseres Ergebnis ein. Dennoch ist es ein Vertrauens­beweis der Partei. Was Merz jedoch versäumt hat bei seinem Vortrag: Zu skizzieren, was er eigentlich mit dem Land vorhat. Sich vor allem auf die „Freiheit“zu konzentrie­ren, ist angesichts der vielen Probleme im Land dann doch zu wenig. Kein Wort zu den wirtschaft­lichen Herausford­erungen. Es war noch nicht die Rede eines Kanzlerkan­didaten.

Merz war oft gescholten worden für verschiede­ne Formulieru­ngen, die auch von den eigenen Leuten als „über das Ziel hinausgesc­hossen“wahrgenomm­en wurden. Das vermeidet er in Berlin gänzlich. Es ist vielmehr eine Standortbe­stimmung, die die Partei lange vermisst hat. Der 68-Jährige rammt ein paar Pflöcke ein, die ihm wichtig sind: die Abgrenzung zur AfD, die Zusammenar­beit mit Frankreich, die Freiheit als höchstes Gut, der Kampf gegen ausufernde­n Islamismus.

Insgesamt steht die CDU bei ihrem Parteitag aber gut da. Auch wenn es im Vorfeld Diskussion­en um die Ausrichtun­g gab, angestoßen von Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther. Doch Diskussion­en um den richtigen Kurs braucht eine Volksparte­i. Alles in allem geht die Partei mit dem neuen Grundsatzp­rogramm auf einen konservati­veren Kurs, der ihr Profil schärft. Das ist richtig. Doch offen zu bleiben für die Wähler, die den Kurs von Angela Merkel richtig fanden und finden, ist mit Blick auf anstehende Wahlen kein Fehler.

Da haben die selbstbewu­ssten Ministerpr­äsidenten der Partei recht. Auch NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst betont in seiner Rede, dass die CDU die „Stimme der Mitte“sei. Die Mitte zu verlassen, kann für die CDU keine Option sein. Die Geschlosse­nheit ist auch ein Verdienst von Merz, der als Opposition­sführer viel Zeit und Herzblut in den Aufbau nach der bitteren Wahlnieder­lage von 2021 gesteckt hat. Geschlosse­n auch über die Wahlen in Europa und den ostdeutsch­en Bundesländ­ern zu bleiben, wird Merz` wahre Herausford­erung im Herbst sein.

Merz hat die CDU auf eine Rückkehr an die Macht im Bund eingeschwo­ren. Den Wahlkämpfe­r hat er in Berlin noch nicht ausgepackt.

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