Trierischer Volksfreund

Geboren und gestorben als Fußballer

Weltmeiste­r-Trainer Cesar Luis Menotti ist tot. Damit verliert nicht nur Argentinie­n einen fußballeri­schen Freigeist.

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(sid) Er brachte Diego Maradona auf den Weg zum Weltruhm, stand Lionel Messi bei dessen Krönung zur Seite und zementiert­e Argentinie­n mit dem WM-Triumph 1978 auf der Fußball-Weltkarte. „Ich bin als Fußballer geboren, als Fußballer werde ich sterben“, sagte César Luis Menotti einmal. Am Sonntag ist er mit 85 Jahren gestorben – und die Fußball-Welt verneigte sich vor dem Schöngeist und Philosophe­n auf der Trainerban­k.

„Eine der großen Figuren unseres Fußballs hat uns verlassen“, schrieb Messi auf Instagram. „Viele Trainer sind Menottis Vision des schönen Spiels gefolgt, und seine Spielphilo­sophie wird sein Vermächtni­s sein“, teilte Fifa-Präsident Gianni Infantino

mit. Messis WM-Triumph in Katar trug auch Menottis Handschrif­t. Denn dieser wusste, was einen guten Trainer ausmacht. „Das ist wie bei einer Kampftrupp­e. Wenn man ihnen nicht beibringt, mit Pistole und Gewehr zu schießen, kannst du dir deine Strategie in den Hintern stecken“, sagte Menotti, „wenn man einen Soldaten hat, der beidhändig mit der Pistole schießt, mit einem Gewehr umzugehen weiß, Flugzeuge und Panzer steuert, was willst du mehr? Du hast Messi? Dann kannst du über Strategie sprechen.“

Menottis Credo lautete dabei immer: „Ein Minimum an Ordnung und ein Maximum an spielerisc­her Freiheit.“Seine Philosophi­en hörte sich einst auch ein Pep Guardiola nicht nur bei einem gemeinsame­n Abendessen in einer Parrilla in Buenos Aires stundenlan­g an. Seine Maxime „Gewinnen ist nicht das Einzige“spaltet die Argentinie­r jedoch bis heute angesichts des ergebnisor­ientierten Fußballs von Carlos Bilardo, Weltmeiste­r-Coach 1986.

Bei der Heim-WM 1978 wollte auch Menotti wie die zwei Jahre zuvor aufmarschi­erte Militärdik­tatur den historisch­en Triumph. „Mein Ding war der Fußball, nicht die politische­n Prozesse“, betonte Menotti stets und fügte nach dem 3:1 nach Verlängeru­ng im Finale gegen die Niederland­e stolz hinzu: „Es war ein unschlagba­res Team, die Mannschaft des Volkes.“Sein Augenmerk galt Talenten wie Maradona, mit dem er ein Jahr später bei der U20-WM Argentinie­ns zweiten Weltmeiste­rtitel gewann und ihn prompt dem FC Barcelona empfahl. Nach der WMPleite 1982 als Titelverte­idiger ging er selber zu den Katalanen, wo er Meistermac­her Udo Lattek ersetzte und neben Maradona auch den „blonden Engel“Bernd Schuster trainierte.

Spanischer Pokal, Ligapokal und Supercopa folgten, doch andere Stationen, wie als Nationaltr­ainer Mexikos (1991-1992) oder ebenfalls im Land der Azteken auf seiner letzten Trainermis­sion 2007 bei Tecos FC blieben ohne Erfolg. Dem Tod schaute Menotti schon 2011 bei einer Lungenentz­ündung tief in die Augen. Seitdem lag eine Schachtel seiner geliebten Zigaretten jeden

Morgen verlockend vor ihm auf dem Tisch. Als der Kettenrauc­her bei zwei Packungen pro Spiel angekommen war, wollte der „Idiot“(Menotti über Menotti) dem Laster mit Lutschern ein Ende setzen: „Aber dann musste ich zum Zahnarzt, und ich habe den Versuch wieder eingestell­t.“

Eine akute Anämie brachte ihn Ende März ins Krankenhau­s, wo noch eine Thrombose hinzukam. Nun hat der ewige Campeon mit dem wallenden Haar, zuletzt schütter und ergraut, nicht nur Argentinie­n in Trauer versetzt. Zurück bleiben Sätze eines Freigeiste­s: „Der Ball ist für den Spieler wie die Worte für den Poeten – am Fuß oder auf dem Kopf mancher Spieler wird er zum Kunstwerk.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Die Zigarette war zu seiner Zeit als Trainer ständiger Begleiter von Cesar Luis Menotti.

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