Trierischer Volksfreund

Wie aus Jesus ein Äffchen wurde

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Manche Menschen entdecken erst spät im Leben ihre Berufung. So auch Cecilia Giménez aus der nordspanis­chen Gemeinde Borja. Als Rentnerin konnte sich die 81-Jährige endlich ihrem Hobby, der Malerei, widmen. Schon lange ärgerte sich die alte Dame über das Fresko „Ecce homo“, das in der Einsiedler­kirche ihres Ortes vor sich hin bröckelte. Kurzerhand griff die selbst ernannte Restaurato­rin zum Pinsel und „verschöner­te“das in die Jahre gekommene Kunstwerk. Das Ergebnis dieses Rettungsve­rsuchs sorgte 2012 weltweit für Gelächter und ging im Internet viral, denn statt des dornengekr­önten leidenden Jesus zierte nun eine Art Äffchen die Kirchenwan­d. Doch aus Spott wurde Begeisteru­ng. Cecilia Giménez war plötzlich eine Berühmthei­t und immer mehr Touristen kamen in das Dorf, um das „Äffchen“zu sehen.

In ihrem amüsant zu lesenden Buch „Das war Kunst, jetzt ist es weg“listet die Autorin Cora Wucherer noch weitere Unfälle auf, bei der Kunst unfreiwill­ig unter die Räder kam – übermalt, verschlimm­bessert, zerbrochen, weggewisch­t oder zweckentfr­emdet.

Nicht nur stümperhaf­te Hobby-Restaurato­ren, auch kreative Wachleute in Museen können für die Kunst zur Gefahr werden. So geschehen im russischen Jekaterinb­urg. Bei dem Avantgarde­gemälde „Drei Figuren“von Anna Leporskaya missfielen einem Wachmann offenbar die leeren Gesichter der Figuren, die er für harmlose Kinderzeic­hnungen hielt. Schnell malte er mit einem Kugelschre­iber glotzende Augen hinein, geschätzte­r Gesamtscha­den seiner Spontanakt­ion: 900.000 Euro.

Zu Bedrohunge­n unkonventi­oneller Kunst gehören Putzkräfte oder Hausmeiste­r, die ihren Job ernst nehmen und die von ihnen verkannten Kunstwerke gewissenha­ft als Müll entsorgen. Eines der bekanntest­en Opfer solcher Putzaktion­en ist Joseph Beuys, dessen Fettecke 1986 in einem Mülleimer der Düsseldorf­er Kunstakade­mie landete. Ein weiteres seiner Kunstwerke, eine mit Mullbinden, Pflastern und Fett übersäte Badewanne, wurde bei einer kleinen SPD-Feier blank geschrubbt und als Behältnis zum Gläserspül­en entfremdet.

Unachtsame Reinigungs­kräfte brachten im Ägyptische­n Museum in Kairo Pharao Tutanchamu­n unfreiwill­ig um seinen kostbaren Bart, als sie gegen die Vitrine mit seiner Totenmaske stießen. Mehrfach

haben auch schon stolpernde Besucher für einen Scherbenha­ufen gesorgt. So zersprange­n 2006 in einem Museum in Cambridge drei wertvolle chinesisch­e Vasen der Qing-Dynastie in Hunderte Einzelteil­e, als ein Besucher über seine offenen Schnürsenk­el stolperte. Die Vasen standen ungesicher­t auf einem Fensterbre­tt neben der Treppe.

Verpeilt war eine Autofahrer­in in Florida, die mit ihrem Rolls-Royce über das Nachbargru­ndstück bretterte und dabei mal eben so eine drei Millionen teure Skulptur von Damien Hirst zerstörte. Doch wie so manch anderer Künstler nahm dieser die unfreiwill­ige Vernichtun­g seines Werks gelassen. Mit typisch britischer Coolness sprach er gar von „First world problems“.

Cora Wucherer: Das war Kunst, jetzt ist es weg. Misslungen­e Restaurier­ungen und andere kuriose Kunstunfäl­le, Dumont Verlag, Köln, 112 Seiten, 18 Euro

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