„Gerd Witte war für uns viel mehr als ein Orgellehrer“
Der verstorbene Kirchenmusiker, Komponist und Hochschullehrer hinterlässt seine Spuren in Trossingen
TROSSINGEN (sz) - Mit Gerd Witte hat die Stadt Trossingen vor Kurzem einen Mann verloren, der in den vergangenen Jahrzehnten die Kantorei der Martin-Luther-Kirche in Trossingen auf ein beachtliches Niveau geführt und zahlreiche Studenten der Musikhochschule ausgebildet hat. „Gerd Witte war für uns viel mehr als ein Orgellehrer“, erinnert sich sein ehemaliger Schüler HansPeter Braun, der inzwischen selbst an der Hochschule lehrt.“Ausbildung und Bildung waren sein Ziel.“
Geboren ist Gerd Witte in Berlin, am 14. Juni 1927. Musik gehörte schon damals zu Gerd Wittes Leben, täglich spielte er Klavier und komponierte sogar schon erste kleine Stücke. Doch es war ein Heranwachsen in eine immer düstere Zeit hinein: Mit 15 Jahren musste Gerd zum Ernteeinsatz nach Pommern, es folgten Reichsarbeitsdienst und militärischer Drill.
Nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, in die er geraten war, absolvierte er in BerlinSpandau die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Kirchenmusik. Hier begegnete er zum ersten Mal seiner späteren Ehefrau Ursula Hornickel: Seite an Seite erlebten die beiden das Kirchenmusikstudium bei Ernst Pepping. Die Situation in Berlin jedoch wurde immer schwieriger. Gerd und Ursula wollten weg – nach Süddeutschland an die Stuttgarter Musikhochschule. Doch die war nach Trossingen ausgelagert - Gerd und Ursula mussten auf einer Landkarte im Postamt erst einmal suchen, wo dieser nie gehörte Ort überhaupt liegt. 1948 kamen sie nach Trossingen und beendeten hier beide 1950 ihr Studium.
Trossingen sollte für die beiden aber nicht nur Studienort bleiben, es wurde Wohnort, Wirkungsort und hoffentlich auch neue Heimat. Gerd Witte erhielt die Kantorenstelle an der Martin-Luther-Kirche, die er über 30 Jahre lang innehaben sollte, und schon ab 1951 bekam er einen Lehrauftrag an der Musikhochschule.
Von seinen Studierenden verlangte er ein hohes Maß an Selbstdisziplin, die er als geborener Preuße selbst vorlebte, erinnert sich HansPeter Braun. „Kam man mit einem schlecht vorbereiteten Bach in seinen Unterricht, konnte er sagen: ,Stellen Sie sich vor, Bach stünde hinter Ihnen und sie erdreisten sich hier, so zu spielen!’“
So fasste Gerd Witte in Trossingen beruflich Fuß. 1954 wurde er Bezirkskantor, von 1958 an war er an der Kirchenmusikschule in Esslingen tätig, 1963 erhielt er den Titel Kirchenmusikdirektor und 1971 wurde ihm eine Professur an der Musikhochschule Trossingen übertragen, wofür er die Lehrtätigkeit in Esslingen beendete, um sich ganz in Trossingen der Kirchenmusik zu widmen.
Es war aber auch die Zeit, in der sich Herrn Wittes privates Leben entwickelte. Im Februar 1952 heirateten Gerd und Ursula. Ein Leben für die Musik, in der Musik, dazu eingebettet in die Familie: Zu dieser gehörten im Laufe der Jahre drei Töchter, elf Enkelkinder und bis heute sogar zwei Urenkel.
1981 zog sich Gerd Witte als Leiter der Trossinger Kantorei und Organist der Martin-Luther-Kirche zurück und 1992 wurde er von der Musikhochschule in den Ruhestand verabschiedet. Das Ende seiner musikalischen Tätigkeit war das nicht: Schon seit 1985 hatte er die Organistenstelle an der Stadtkirche in Stein am Rhein inne und diese Jahre waren für ihn noch einmal so wertvoll in musikalischer wie auch in theologischer Hinsicht.
In Trossingen wird sein musikalisches Lebenswerk nicht vergessen werden: Während seine Frau Ursula sich der Kinderchöre annahm, formte Professor Witte die Kantorei: Davon zeugen nicht nur die Rundfunkund Schallplattenaufnahmen oder die großen Aufführungen wie Matthäus-Passion, Bach-Oratorien oder das Osteroratorium des Trossinger Komponisten Gerhard Degen.